Die neue Kultur des Managements

(c) DiePresse (Clemens Fabry)
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Was hat ein Ex-Postbus-Chef im Kunsthistorischen Museum verloren? Jede Menge. Paul Frey soll dort die Finanzen ordnen. Eine neue Ära in den Bundesmuseen beginnt: Die Manager kommen.

Man muss kein Psychologe sein, um die Seelennöte des Wilfried Seipel zu verstehen. Der Mann hat ja in den vergangenen Jahren fast ausschließlich die Abgründe des Managements kennen gelernt.

Zuerst kam dem Chef des Kunsthistorischen Museums ein schmuckes Salzfass abhanden – das war 2003. Anfang 2006 konnte Seipel seine Saliera zwar wieder glücklich in die Arme schließen. Doch welch schwacher Trost angesichts des neuen Ungemachs, das dem KHM-Boss mittlerweile das Leben schwer machte: Ein 2005 veröffentlichter Rechnungshofbericht bescheinigte dem Museum einen einigermaßen unkonventionellen Umgang mit Buchhaltung und Bilanzierung.

Heute muss Wilfried Seipel mit den unvermeidlichen Konsequenzen der Museums-Tragödie leben: Nach 17 Jahren an der Spitze von Österreichs größtem Bundesmuseum ist es vorbei mit seiner Alleinherrschaft. Seit April hat er einen Co-Geschäftsführer. Paul Frey heißt sein neuer Kollege.

Seipel soll über den Neuzugang alles andere als erbaut gewesen sein. Was jeder verstehen wird: Mit seinen 33 Jahren ist Frey um ganze 30 Jahre jünger als das KHM-Urgestein. Außerdem ist der kulturelle Background Freys eher nicht so augenscheinlich.

Er war zuletzt Chef der ÖBB-Tochtergesellschaft Postbus.

Was für ein Kulturschock. Ein (blutjunger) Mann aus der banalen Welt der Personenbeförderung in den edlen Gemäuern des Kunsthistorischen Museums – das ist gelinde gesagt ungewöhnlich. Doch durchaus beabsichtigt: Frey hat nämlich den neu geschaffenen Posten des kaufmännischen Geschäftsführers des KHM übernommen. Und ist Seipel gegenüber gleichberechtigt.

Das gab es in einem österreichischen Bundesmuseum noch nie. Während in den Bundestheatern seit Jahren schon Finanzchefs in der Geschäftsführung werken, haben sich die Bosse der Bundesmuseen bislang erfolgreich gegen derart Schnödes gewehrt. Beim KHM war das freilich vergebens.

Mittlerweile ist dort allerdings wieder so etwas wie Alltag eingekehrt: Seipel & Frey haben sich arrangiert – und scheinen bestes Einvernehmen zu genießen. Was viel diplomatisches Geschick erforderte: So wurde Seipel – zwecks Gesichtswahrung – ein Dirimierungsrecht eingeräumt. Und mit Paul Frey hat er darüber hinaus einen überaus höflichen und zurückhaltenden Kollegen zur Seite gestellt bekommen: „Ich bin keinesfalls Seipels Aufpasser“, bemüht sich Frey im Tiefstapeln. Und: „Wir ergänzen einander wunderbar: Seipel hat einen Bildungsstand, den ich nicht habe. Und ich vertrete Management-Thesen, die ihm nicht geläufig sind.“ Außerdem entspreche die Neuorganisation im KHM dem internationalen Trend. Frey: „Große Museen haben schon längst einerseits künstlerische Visionäre, andererseits auch Manager, die auf das operative Geschäft schauen.“

Als Eisbrecher zwischen Seipel und Frey dürfte aber weniger der internationale Trend, sondern das liebe Geld gewirkt haben. Vor wenigen Wochen hat Frey Budgetverhandlungen mit dem Ministerium abgeschlossen. Und die sind ganz im Sinne des altehrwürdigen Hauses am Wiener Burgring ausgegangen: Frey hat nach nur dreimonatigen Verhandlungen weitere zehn Mio. Euro für den dringend notwendigen Umbau der Kunstkammer und des Museums für Völkerkunde herausgerissen. Mittel, um die sich die KHM-Führung sechs Jahre lang vergebens angestellt hatte.

Das Nachsehen hat das Technische Museum – dessen Chefin Gabriele Zuna-Kratky soll auch gehörig sauer sein. Immerhin hatte sie eine Zusage für 15 Mio. für ihr Museum fix in der Tasche. Mitnichten. Doch was soll's – als Mann der Wirtschaft hatte Frey, so hört man, die besseren Argumente parat. Und auch das geeignete Vis-à-vis. Denn ökonomischer Fachsimpelei ist auch SPÖ-Kunstministerin Claudia Schmied durchaus zugetan. Sie wechselte ja direkt aus der Finanzwelt (von der Kommunalkredit) ins Ministerium.

Zufall oder klares Signal? Tatsache ist, dass unter Schmieds Ägide wirtschaftlich Versierte eindeutig Oberwasser haben. Gleich nach ihrer Amtsübernahme hat die Ministerin die Stabstelle für rechtliche und wirtschaftliche Angelegenheiten eingerichtet – und diese dem einstigen Bank-Austria-Manager Michael Franz anvertraut, der seit Mittwoch auch Chef der Sektion IV (Kultur) ist. Schmieds Kabinettschef ist Peter Wandaller – bis zu seinem Wechsel in die Politik Mitarbeiter in der Kaderschmiede für Manager: bei Siemens.

Das sind Signale, die gehört werden. Also hat sich auch Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder im Frühjahr mit Josef Holböck einen Betriebswirt als Stellvertreter ins Haus geholt. Der Zug der Zeit nimmt halt auf Schöngeister keine Rücksicht. Holböck: „Seit der Ausgliederung im Jahre 2000 hat sich die Situation der Bundesmuseen dramatisch verändert. Sie müssen wie normale Wirtschaftsbetriebe geführt werden, modern und effizient.“ Tja, aufs Geld schauen ist keine schlechte Strategie – zumal die öffentlichen Zuwendungen an die Museen seit Jahren auf demselben Niveau verharren.

Vor allem das KHM hat Optimierungsbedarf: Das Museum steckt in den roten Zahlen, und daran ändert die jährliche „Basis-abgeltung“ durch das Ministerium von 20 Mio. Euro herzlich wenig.

Angeblich ist Paul Frey drauf und dran, das Museum aus dem finanziellen Schlamassel zu holen. Sektionschef Michael Franz meint jedenfalls: „Wir sehen, dass es im KHM ganz gut funktioniert. Einen kaufmännischen Geschäftsführer zu engagieren war eine gute Entscheidung.“

Die nach Wiederholung schreit? Immerhin will es das Schicksal, dass in einigen Bundesmuseen demnächst Verträge auslaufen: etwa jener von Peter Noever (MAK) oder Bernd Lötsch (Naturhistorisches Museum). Franz beliebt (wohl aus Rücksicht auf die zart besaiteten Museumsdirektoren) vage zu formulieren: „In den Bundestheatern gibt es das Vier-Augen-Prinzip in der Geschäftsführung. Mit gleicher Berechtigung könnte man das auch für die Bundesmuseen einfordern.“

Bis zum Jahresende will die Ministerin jedenfalls ein neues Konzept für die Bundesmuseen haben. Franz: „Da geht es in erster Linie um kulturpolitische Themen.“ Nachsatz: „Aber das wäre auch ein guter Zeitpunkt, um über die Organisation der Bundesmuseen zu reden.“

MUSEEN & GELD

Die Bundesmuseen (Kunsthistorisches, Naturhistorisches Museum, MAK, Mumok, Albertina, Galerie Belvedere, Technisches Museum und Nationalbibliothek) erhalten vom Bund 90,5 Mio. Euro jährlich.

Die laufenden Kosten können damit aber nicht gedeckt werden. Daher werden die Museums-Chefs wohl schon bald für Manager Platz machen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2007)

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