Debütierende Politiker und versöhnte Diven

OPERNBALL. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer fühlte sich auch ohne Orden wohl, Anna Netrebko begeisterte das Publikum, Paris Hilton traf Bundespräsident Heinz Fischer – und blieb auch davon ziemlich unbeeindruckt.

Dem Gedränge, nein, dem könne er nichts abgewinnen. Furchtbar, dieses Durch-die-Gänge-Schieben und das Warten, wenn es sich plötzlich auf den engen Gängen staut. Ja, und „Die Anna Netrebko war natürlich hervorragend“. So viel zum ersten Resümee von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer seine Opernball-Premiere betreffend. Das war kurz nach der offiziellen Eröffnung des 51. Staatsballs, und da war es, zugegeben, wirklich noch ein wenig hektisch zwischen den samt-roten Logen in der Wiener Staatsoper.

Nach dem ORF-Interview durfte der Kanzler, ganz ohne Orden am Revers, zu einem offiziellen Kurzbesuch in die Loge von Bundespräsident Heinz Fischer. Zuvorgekommen waren dem „undekorierten“ Kanzler nur der ehemalige französische Präsident Val©ry Giscard D'Estaing (Gast von Nationalbank-Präsident Herbert Schimetschek) und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Als in der Präsidenten-Loge Vizekanzler Wilhelm Molterer (übrigens mit Orden an der Brust) mit Ehefrau und Staatssekretären um Audienz bat, galt es Platz zu machen.

Ab dann gab Gusenbauer in seiner eigenen Loge den Gastgeber, empfing Künstler der Staatsoper („Die Netrebko hat mir erzählt, die „Manon“ im März wird ein ,crazy piece‘“), Regierungskollegen und Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Nur als Richard Lugner mit einer bereits mehr als fadisierten Paris Hilton um Einlass in der Kanzler-Loge bat, lehnte Gusenbauer dankend ab: „Vielleicht in zehn Minuten“. Seine Lebensgefährtin Eva Steiner fügte leise hinzu „Und dann haben wir auch keine Zeit“.

Nicht abgewiesen wurde der Baumeister und seine teure Ballspende im prosecco-gelben Kleid vom Bundespräsidenten. Das freute wiederum den Lugner so sehr, dass er zu späterer Stunde im Überschwang dem tapferen Schneider seiner Ehefrau Christine, La Hong, Rotwein über den Frack leerte. Oder war es umgekehrt? Um einiges länger weilte bei Fischer dann aber die deutsche Stella Deetjen (Gast von Novomatic-Chef Franz Wohlfahrt), die leprakranken Kindern in Benares (Indien) hilft. Dass ihr der Bundespräsident und der Bundeskanzler Unterstützung für ihre Projekten zusagten, damit habe sie nicht gerechnet: „Ich überlege tatsächlich meinen deutschen Pass gegen den österreichischen zu tauschen“, sagte sie mit einem Lächeln. Kein deutscher Politiker hätte bis jetzt mit ihr geredet, aber: „Das wird sich ab jetzt hoffentlich ändern“.

Während Deetjen das sagt, eilen Ioan Holender und Anna Netrebko auf der Flucht vor einer Schar von Fotografen – ausnahmsweise nicht rund um Baumeister Lugner, an ihr vorbei. Dieser und Holender hatten sich versöhnt. Erst nachdem Familie Hilton, die sich über die furchtbaren Fotografen in Wien beschwert haben sollen, früher als ausgemacht die Oper verlassen hatten. Versöhnt zumindest bis zum nächsten Opernball.

Der Tanz um debütierende Politiker und pubertierende Hotel-Erbinnen brachte der Staatsoper vor allem eines: nicht wenig Geld. Die Organisatoren gehen davon aus, den Reingewinn von 1,1 Mio. Euro aus dem Vorjahr heuer deutlich zu übertreffen. Zumindest für sie hat es sich dann also gelohnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2007)

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