Der Schulden-Staat und seine Ausflüchte

Da hilft kein Rumreden: Ein Staatshaushalt ist saniert, wenn unter dem Strich hin und wieder ein Plus steht.

Ein paar Wochen noch, dann ist es soweit. Wilhelm Molterer (ÖVP) wird erstmals in seiner Polit-Karriere an das Rednerpult im Plenarsaal des Hohen Hauses treten, um als neuer Finanzminister der Bevölkerung zu erklären, was er mit deren Geld in den kommenden Jahren so anzustellen gedenkt. Der staatliche Rundfunk wird „live“ übertragen, weil das Ganze ja in der Tat eine wichtige Sache ist. Die bestimmt sehr gespannten Zuseher werden aber kaum vom Sessel fallen. Molterers erste Budgetrede wird nämlich verdammt stark jenen ähneln, die sein Vorgänger „KHG“ zuletzt an selber Stelle gehalten hat.

Deshalb bedarf es keiner herausragenden hellseherischer Qualitäten, um die Eckpfeiler der Rede Molterers an dieser Stelle bereits vorab zu skizzieren.
Finanzminister Molterer wird also durchklingen lassen, dass die große Koalition eine ganze Menge Geld brauchen wird, um die beschlossene Ausweitung der staatlichen Segnungen irgendwie zu finanzieren. Das wird natürlich nicht ohne Einsparungen auf der Ausgabenseite abgehen. Bereits am gestrigen Montag ließ der Finanzminister via Ö1-Morgenjournal wissen: „Alles, was man 2007 und 2008 nicht schafft, auch an Strukturreformen, wird 2010 bei der Steuerentlastung fehlen.“

Interessante Aussage. Was uns der neue Finanzminister nämlich sagen will: Scheitern öffentliche Institutionen einmal mehr daran, ihren verschwenderischen Firlefanz ein wenig zu bremsen, werden nicht sie zur Rechenschaft dafür gezogen, sondern die Steuerzahler. Und zwar über nicht gewährte Entlastungen für die wenigen noch Steuern zahlenden Bürger. Im Polit-Jargon nennt man so etwas dann vermutlich einen „inversen Sparanreiz“ für öffentlichen Haushalte.
•Im Zentrum der Budgetrede Molterers wird folgende Botschaft stehen: „Österreichs Haushalt wird über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen sein.“ Was darunter zu verstehen ist? In erster Linie, dass in den kommenden Jahren einmal eines gemacht wird: neue Schulden. Diese neuen Schulden, so wird suggeriert, werden dann im Laufe des „Konjunkturzyklus“ durch Überschüsse wieder ausgeglichen.

Schmeck's. Das nicht unwesentliche Problem liegt schließlich darin, dass kein einziger namhafter Ökonom auch nur annähernd in der Lage wäre, abzuschätzen, wie lange so ein Konjunkturzyklus überhaupt dauert. Wie will nun ein Finanzminister allen Ernstes behaupten, das Budget über einen Zyklus hinweg ausgeglichen zu halten, wenn er nicht einmal weiß, von welchem Zeitraum er spricht? Wenn man aber schon vom Konjunkturzyklus spricht, dann wäre es wohl der einzige seriöse Weg, zuerst mit dem Sparen zu beginnen. Besonders dann, wenn als Voraussetzung für das Sparen eine gute Wirtschaftslage genannt wird – die ja derzeit nicht zu übersehen ist.

Unglücklicherweise sieht das österreichische System der Budgetpolitik folgendermaßen aus – unabhängig von der Farbe des Finanzministers: In Zeiten schlechter Konjunktur werden neue Schulden gebraucht, um die Wirtschaft über steigende Staatsausgaben in Gang zu halten. Läuft die Wirtschaft wie geschmiert, fallen neuerlich Schulden an, weil im Wahlkampf neue Sozialleistungen erfunden wurden, die es eben nach der Wahl zu finanzieren gilt. Vielleicht wäre es nicht so schlecht, sich zumindest einmal vorzunehmen, zur Abwechslung einmal gerade so viel Geld auszugeben, wie eingenommen wird.


Warum die Bürger dennoch mit dem Begriff „ausgeglichener Haushalt über den Zyklus hinweg“ belästigt werden, hat mit politischem Marketing zu tun. Die ÖVP hat nämlich seit Jahren ihre Müh und Not, den Bürgern zu erklären, dass das mit dem Nulldefizit eben eine ziemlich einmalige Sache war. Und dass sie zwar die „rote“ Schuldenpolitik gebremst, aber entgegen aller Beteuerungen nicht beendet hat. So wuchs der staatliche Schuldenberg in den vergangenen sechs Jahren zwar schwächer als seit Mitte der 70er Jahre. Ein Teilerfolg, keine Frage. Was sich aber auch die ÖVP einmal zu Herzen nehmen sollte: Ein Staatshaushalt gilt dann als saniert, wenn unter dem Strich hin und wieder ein Plus steht.

Nun sind Schulden per se natürlich nichts Schlechtes. Allerdings mit dem Zusatz, dass das geliehene Geld so zu investieren ist, dass es früher oder später Erträge abwirft. Was hierzulande seit Jahrzehnten gründlich daneben geht. Andernfalls würde Österreich heute nicht doppelt so viel Geld zur Begleichung der Zinsen für Staatsschulden ausgeben wie für den gesamten Bereich Bildung. Aber solange über den Konjunkturzyklus das Budget ausgeglichen ist, ist ja alles in Ordnung, nicht?

Sparen mit der Rasenmäher-Methode Seite 1


franz.schellhorn@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.