Kunst als Investment: In Wien wird ein Tabu gebrochen

Der neue Chef der „Viennafair“ polarisiert: Sergey Skaterschikov will auf der Wiener Kunstmesse tatsächlich Kunst verkaufen.

Die kennen Kunst nicht, die kennen nur Geld. Wir finden das unsympathisch.“ Hans Neuendorf, Gründer von „Artnet“, fasste am Montag zusammen, was sich viele über Sergey Skaterschikov, den neuen Eigner der Wiener Kunstmesse „Viennafair“ denken. Neuendorf muss es wissen, er kennt sich schließlich aus mit Kunst und Geld, er versorgt den Kunstmarkt seit 1989 mit einer Preis-Datenbank, führte Online-Auktionen ein und brachte sein Unternehmen an die Börse. Als seine letzte Tat vor seinem Rücktritt als Vorstandsvorsitzender sparte der 74-Jährige noch den redaktionellen Inhalt von „Artnet“ ein, das Onlinemagazin. Sein Herz scheint für die Kunst zu schlagen.

Genauso wie Skaterschikovs Herz für Zahlen zu schlagen scheint. Er würde „Artnet“ mit der Firma Redline Capital Management, hinter der ein russischer Oligarch steht, gerne übernehmen. Am 11.Juli wird getagt, da weiß dann auch die Wiener Kunstszene, ob aus der „Viennafair“ vielleicht einmal die „Artnet“-Fair wird.

Bis dahin schließt man sich dem altruistischen Herrn Neuendorf in seinem Urteil gerne an. Bei jeder Pressekonferenz Skaterschikovs kann man den Schauder spüren, wenn den Strategien gelauscht wird, wie man aus einer Kunstmesse tatsächlich einen internationalen Marktplatz und kein verkrachtes Philosophicum macht. Ein Russe. Ein vermutlich reicher noch dazu. Einer, der von Kunst und Geld spricht, als dürfte man das. „Wir finden das unsympathisch.“ Als wäre Sympathie eine Kategorie.

Doch das Thema Kunst als Investment ist in Mitteleuropa, speziell in Wien, traditionell ein Tabu. Hier wurde immerhin die „Informationsgalerie“ erfunden, die Galerie, die von Geschäft nichts wissen will und nur von Liebe, Leidenschaft und Subventionen lebt. Dass soviel Großherzigkeit nicht ganz selbstlos sein kann, haben sich wohl auch die Sammler (und die Künstler) immer gedacht. Sie haben sicherheitshalber lieber nicht in den Galerien ge- bzw. verkauft, sondern lieber im Atelier, unter der Hand.

Nein, Sammlern, Künstlern, Galeristen ging es nie ums Geld. Und plötzlich geht es um genau das in Wien, in einer entwaffnend offenen Weise – vom Sammler Eduard Pomeranz, der seine nach Investmentplan generierte Sammlung im Jüdischen Museum zeigt, bis zu Skaterschikov, der für die „Viennafair“ einen bösen Kunstfonds eingerichtet hat, der u. a. vom neuen Direktor der Wiener Kunsthalle, Nicolaus Schafhausen, beraten wird. Und der eine Konferenz organisiert, bei der die neu geoutete Gattung „Homo Collector Investor“ ihren Auftritt haben wird. Wir finden das nicht unsympathisch. Sondern sehr erfrischend.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2012)

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