Nachrichten wohldosiert verkosten

(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Die Journalisten sollten das Jammern einstellen und sich besinnen, wie schön ihr Beruf ist, schlägt der amerikanische Autor und Professor Peter Laufer vor.

Anfang dieser Woche war Peter Laufer in Wien. Ein fröhlicher, vollbärtiger, älterer Herr, der auf eine lange Karriere im US-amerikanischen Radio und Fernsehen (u.a. bei NBC News) zurückblickt und heute als Journalismusprofessor an der University of Oregon sein „Slow News Movement“ verbreitet. Sein „Manifest für den kritischen Nachrichtenkonsumenten“ erschien 2011 zuerst auf Italienisch und wird demnächst auf Englisch publiziert.

Darin betont er, wie sehr uns der technologische Fortschritt zu Sklaven der Nachrichtenlieferanten gemacht hat. Nur weil es möglich ist, ständig neue Ereignisse abzurufen, werde das auch getan. Das habe Auswirkungen auf die TV-Nachrichten und den Onlinejournalismus, in denen Livesendungen und -ticker als probate Erzählform für jedes Ereignis gelten. Sein Manifest ist deswegen keines der Technikverweigerung – auch er besitzt ein Smartphone und schätzt das iPad –, sondern eine Anleitung für einen ausgewogenen Nachrichtenkonsum.

„Wir sollten den Wert der permanent abrufbaren, kalorienleeren Nachrichten hinterfragen“, schreibt er im Vorwort seines Buches. Beim Vortrag im Presseclub Concordia, organisiert vom Forum Journalismus und Medien, verglich er den modernen Medienkonsumenten mit Heroinsüchtigen: „Sobald ihre mobilen Geräte eine Weile kein Netz haben, werden sie nervös.“

Mit Optimismus aus der Schockstarre

Das Credo der „Slow News“-Bewegung lautet: „Yesterdays news tomorrow“. Eines, dem zumindest die gedruckte Tageszeitung immer noch folgt. Ihr Fehler sei nur, diese Langsamkeit zu bedauern und schnellere Nachrichtenkanäle wie TV und Online zu imitieren. „Zeitungen können nicht mit diesen Medien mithalten. Sie müssen etwas Besseres liefern, wenn sie überleben wollen.“

Vieles von dem, was Peter Laufer sagt, mag unrealistisch und in modernen Nachrichtenmedien schwer umsetzbar sein, charmant sind seine Ideen allemal – und beneidenswert optimistisch. Sie basieren auf einer positiven Grundhaltung zum Journalismus. „Es gibt nichts besseres, als Journalist zu sein“, sagte er bei seinem Vortrag in Wien. Dieses Bewusstsein täte der Branche gut, um sich aus ihrer Schockstarre zu befreien. Durch die ökonomische Krise und neue, erlösschwache Verbreitungskanäle im Internet leide sie an einem Mangel an Selbstbewusstsein. „Dabei hat unser Beruf so viele Vorteile: Wir werden nicht gewählt, dürfen kritisch sein und jede Menge interessanter Menschen treffen. Gut, wir sind nicht sonderlich angesehen – aber das, was wir machen, macht Spaß.“

Wie wenig angesehen der Beruf ist, zeigt eine neue Studie aus den USA, bei der 200 Berufe nach Gehalt, Aufstiegschancen und Stressumfang verglichen wurden: der Zeitungsjournalist landete auf Platz 5 der „Worst Jobs for 2012“, er ist nur eine Spur besser dran als der Arbeiter auf einer Öl-Bohrinsel, aber schlechter als der Kellner. Ein Reporter des „Forbes Magazine“ reagierte so, wie Peter Laufer es sich wünscht: In einem Essay zählte er sieben Gründe auf, wieso „Journalismus der beste Job ist“. Der erste lautete: „Weil du fürs Lesen bezahlt wirst.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2012)

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