Zinskartell kostet Barclays-Chef den Kopf

Zinskartell kostet BarclaysChef Kopf
Zinskartell kostet BarclaysChef Kopf(c) AP (Virginia Mayo)
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Robert Diamond, einer der bekanntesten Banker der Welt, ist seinen Job los. Die britische Barclays-Bank manipulierte jahrelang den bedeutenden Libor-Zinssatz.

Im September 2008, als sich die Elite der Finanzindustrie in Manhattan traf und das Schicksal von Lehman Brothers besiegelte, ist Robert Diamond in die „Champions League“ der Branche aufgestiegen. Vehement verwehrte sich der damalige Chef der Investmentsparte von Barclays dagegen, Lehman zu kaufen. Einen „Bastard“ nannte ihn US-Finanzminister Henry Paulson deshalb. Lehman wurde in die Pleite geschickt, und Barclays übernahm die Filetstücke des Geldhauses zu einem vergleichsweisen Spottpreis.

Knapp vier Jahre später ist Diamond arbeitslos. Im Jänner 2011 zum Chef der britischen Barclays aufgestiegen, gab er am Dienstag seinen Rücktritt bekannt. „Der Druck wurde zu groß“, verkündete der 60-jährige Topmanager. Ihm wurde die jahrelange Manipulation des Libor-Zinssatzes zum Verhängnis. Vergangene Woche war Barclays deshalb zu einer Rekordstrafe von 290Mio. Pfund (360Mio. Euro) verdonnert worden.

Damit erreichte der Skandal um ein mögliches Zinskartell seinen vorläufigen Höhepunkt. Seit Monaten untersuchen die Behörden in den USA und England die Causa. Der Vorwurf: Zahlreiche Großbanken, darunter neben Barclays die Deutsche Bank, HSBC, JP Morgan, UBS und Citigroup, logen bei der täglichen Angabe ihrer Refinanzierungskosten – und sprachen sich dabei ab.

Markt in großem Stil manipuliert

Der Libor ist einer der wichtigsten Zinssätze der Welt. Laut der amerikanischen „Commodity Futures Trading Commission“ hängen die Kosten für Kredite, Swaps, Futures und andere Kontrakte im Gesamtwert von mehr als 900Billionen Dollar pro Jahr von ihm ab. Manipulieren Institute den Libor nach oben, können sie durch unlautere Zinsdifferenzen Millionen einstreifen. Die Angabe von zu niedrigen Refinanzierungskosten wiederum täuscht über den tatsächlichen Zustand eines Instituts hinweg.

Den Behörden zufolge trug sich das Zinskartell von 2005 bis 2009 zu. Damals war Diamond bei Barclays unter anderem für das Wertpapier- und Investmentgeschäft zuständig. Er bestreitet, von etwaigen „schwarzen Schafen“, die die Märkte manipulierten, gewusst zu haben.

In Großbritannien ist die Affäre indes längst zum Politikum geworden. Das Parlament berief einen Sonderausschuss ein. Noch diese Woche sollen Anhörungen stattfinden. Aussagen wird unter anderem Robert Diamond. Finanzminister George Osborne bezeichnete seinen Rücktritt am Dienstag als „richtigen Schritt“. Er hoffe, dass nun eine „neue Kultur der Verantwortlichkeit“ in die Chefetagen der Banken einziehe.

Wer Diamond als Chef bei Barclays nachfolgen wird, ist ungewiss. Aufsichtsratschef Marcus Agius zog seinen Montag eingereichten Rücktritt zurück. Er wolle zunächst noch bei der Suche nach einem neuen Firmenchef helfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2012)

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