China testet den "freien" Yuan

China testet bdquofreienldquo Yuan
China testet bdquofreienldquo Yuan(c) REUTERS (BOBBY YIP)
  • Drucken

In einer Sonderfinanzzone soll ausprobiert werden, was passiert, wenn China den Yuan freigibt. Das Ziel: Der Yuan soll langfristig den Dollar als Leitwährung ablösen.

Noch Mitte der Achtzigerjahre war Shenzhen nicht mehr als ein Fischerdorf. Nur im Landesinneren entstanden die ersten Fabrikhallen. Chinas Staatsoberhaupt Deng Xiaoping hatte die Gegend an der Grenze zu Hongkong kurz zuvor zur Sonderwirtschaftszone erklärt und damit erstmals Marktwirtschaft in der Volksrepublik zugelassen. Viel war aber noch nicht los.

Heute ist Shenzhen eine der modernsten Metropolen Chinas und hat bereits doppelt so viele Einwohner wie Hongkong, einen inzwischen sehr viel größeren Hafen und dürfte auch in der Wirtschaftskraft schon bald den Nachbarn übertrumpfen. Was Deng als Experiment begonnen hat, ist zur Musterstadt des modernen chinesischen Kapitalismus geworden. Nun wird die Gegend um Shenzhen erneut als Experimentierfeld genutzt.

Zwischen Shenzhen und Hongkong soll mit Qianhai eine Sonderfinanzzone entstehen, in der die chinesische Währung, der Yuan, bis zu einem bestimmten Volumen frei tauschbar wird. „Die Politik des Landes läuft darauf hinaus, den Kapitalmarkt des Landes allmählich zu öffnen und die volle Konvertibilität des Yuan zu erreichen“, kündigte Zhang Xiaoqiang, der stellvertretende Vorsitzende der staatlichen Plankommission, an. Qianhai soll eine Pionierrolle spielen.

Umweg über die Zentralbank

Bislang konnte man die chinesische Währung in China nicht einfach ein- oder ausführen. Zudem ist der Yuan fest an den US-Dollar gekoppelt. Das heißt: Jeder, der Waren aus China bezieht und bezahlen möchte, muss den Umweg über die chinesische Zentralbank gehen. Jeder Dollar, jeder Euro und jeder Yen, der nach China fließt, wird von ihr einbehalten, die zu einem von ihr festgelegten Wert wiederum Yuans austeilt.

Das soll sich nun ändern. Japan, Malaysia und eine Reihe weiterer Länder haben bereits Vereinbarungen mit Peking getroffen, wonach Waren direkt in der chinesischen Währung gehandelt werden können. Zudem hat neben Hongkong und Singapur vor Kurzem auch London den Status eines Auslandszentrums des Yuan erhalten. Das heißt: Es gibt nun eine Reihe von Finanzprodukten in chinesischer Währung, die auf diesen Finanzplätzen frei gehandelt werden können.

Mit der neuen Sonderfinanzzone auf chinesischem Boden wollen Pekings Machthaber austesten, welche Auswirkungen es haben wird, wenn Exportfirmen ihre Waren direkt in Yuan abrechnen können. Auch europäische Käufer haben nun die Möglichkeit, ihre erworbenen Waren direkt in Yuan zu bezahlen – und zwar zu einem vom Markt festgesetzten Wert. China geht damit nach demselben Prinzip vor wie vor 33 Jahren: Erst soll die Freigabe in einer Sonderzone erprobt werden, dann irgendwann auf der gesamten Welt.

Die westlichen Staaten begrüßen diesen Schritt. Vor allem die USA, aber auch die Europäer haben immer wieder beklagt, dass Peking mit der festen Koppelung an den Dollar den Wert der chinesischen Währung zu niedrig ansetze, um die heimische Exportindustrie zu stützen.

USA könnten Vorteile verlieren

Doch gerade, was die USA angeht, könnte diese Freude schnell verebben. Denn Chinas Führung hat vor allem ein Ziel: Sie will den Yuan zu einer Reservewährung ausbauen. Schon mehren sich die Stimmen, dass der Yuan den Dollar sogar als globale Leitwährung ablösen könnte. US-Ökonom Barry Eichengreen hält das angesichts der Stärke der chinesischen Volkswirtschaft und der vergleichsweise geringen Staatsschulden für eine realistische Entwicklung. Die USA wären damit ihren Vorteil der vergangenen vier Jahrzehnte los: nämlich fast unbegrenzt Geld drucken zu können.

Solange die Chinesen aber noch experimentieren, dürfen sich Anleger aus aller Welt einfach über die neuen Möglichkeiten freuen, nun auch in der Volksrepublik leichter investieren zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.