Machtkampf in Bukarest: „Es ist der totale Krieg“

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Premier Ponta, ein Sozialdemokrat, will den konservativen Präsidenten Basescu absetzen. Dabei färbt er fast den gesamten Staatsapparat um. Institutionen des Rechtsstaates könnten unter die Räder geraten.

Bukarest. In der rumänischen Hauptstadt liegen die Nerven blank. Die Sozialdemokraten um Premier Victor Ponta wollen ihren Erzfeind, Staatschef Traian Basescu, um jeden Preis von seinem Amt entheben – am besten sofort und egal, unter welchem Vorwand. Immer mehr Stimmen der Zivilgesellschaft schlagen Alarm: Wichtige Institutionen des Rechtsstaates könnten im Zuge dieser Eskalation unter die Räder geraten.

Zwischen Pontas Sozialdemokraten und Basescus Liberaldemokraten tobt seit Jahren ein erbarmungsloser Krieg, der sich angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen, die im Herbst stattfinden, immer weiter zuspitzt. Der Plan der Sozialdemokraten sieht vor, Basescu möglichst schnell loszuwerden, um zu verhindern, dass er nach den Wahlen erneut eine Ad-hoc-Koalition um seine eigene Partei an die Macht beruft.

Basescus Verhandlungsgeschick

Tatsächlich ist die Befürchtung des linken Lagers nicht unbegründet: Sollte der Staatschef bis Ende 2014 im Amt bleiben, wäre eine Wiederholung der Situation von 2005 und 2009 wahrscheinlich. Damals hatte Basescu die jeweils vorhandene, obgleich fragile Parlamentsmehrheit ignoriert, einen Premier aus dem eigenen Lager ernannt und durch geschickte Verhandlungen eine Regierungsmehrheit nach eigenem Belieben geschmiedet. Dabei sollte der rumänische Staatspräsident laut Verfassung keine exekutive Rolle spielen.

Doch die gleiche Verfassung erlaubt nur in Ausnahmefällen eine Amtsenthebung des Präsidenten. Das Parlament darf nur bei schweren Verstößen gegen das Grundgesetz das Amtsenthebungsverfahren in Gang setzen, das Volk entscheidet dann in einem Referendum, ob der direkt gewählte Staatschef entlassen wird. Ein ähnliches Verfahren, das 2007 von den Sozialdemokraten gegen Basescu initiiert wurde, ist am Referendum gescheitert und hat ihnen politisch geschadet.

Diesmal aber will die Linke sicherstellen, dass alles nach Plan läuft. So wurden die im Referendumsgesetz vorgesehenen Prozeduren vereinfacht, die Kompetenzen des Verfassungsgerichts eingeschränkt, die Präsidenten der beiden Parlamentskammern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ersetzt. Vertreter von NGOs, Gewerkschaften sowie der EU-Kommission und der US-Botschaft haben sich zu den letzten Entwicklungen besorgt geäußert (siehe rechts).

„Die Aktion könnte nach hinten losgehen. Bis vor Kurzem hatte Basescu kaum noch Chancen, seine Partei zu retten. Alles deutete auf eine bittere Wahlniederlage hin“, kommentiert der Politologe Daniel Barbu von der Bukarester Universität. Nachdem die alte liberaldemokratische Regierung Sparmaßnahmen durchgesetzt hatte, sank ihre Popularität so rasant, dass die eigenen Abgeordneten ihr die Unterstützung verweigerten.

Image der Linken beschädigt

Daraufhin berief Basescu Anfang Mai Ponta zum Premier. Bei den Kommunalwahlen Anfang Juni stürzte das rechte Lager weiter ab, während sich die Sozialdemokraten über einen Erdrutschsieg freuen konnten. „Doch seit Mitte Juni hat das Image der Sozialdemokraten gelitten“, so Barbu.

Fiese Streiche sind Basescu durchaus zuzumuten. Just Mitte Juni brach ein Plagiatsskandal um Ponta aus: Er soll seine Doktorarbeit abgeschrieben haben. Die Vorwürfe seien haltlos und eine Racheaktion des Staatspräsidenten, erwiderte der Sozialdemokrat. Für den Politologen steht jedenfalls fest: „Es ist der totale Krieg.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2012)

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