Das Mittelmaß mobilisiert seine Systemerhalter

Frank Stronachs „ZiB 2“-Auftritt wird von Teilen der intellektuellen Eliten mit genüsslicher Häme quittiert. Das zeigt, dass er einen wunden Punkt getroffen hat.

Frank Stronachs Auftritt in der „ZiB2“ vom Dienstagabend hat die sozialen Netzwerke zum Glühen gebracht: „Schräg“ sei der Auftritt des ehemaligen Werkzeugmachers gewesen, posteten die milderen Rezensenten auf Facebook, „krank“ diagnostizieren twitternd die schärferen. Offensichtlich fühlen sich viele bestätigt in ihrer himmelhohen Überlegenheit gegenüber einem durchgeknallten Milliardär, der sich einbildet, er könne und solle, nur weil er Geld hat, die Verhältnisse ändern, in denen man es sich gemütlich gemacht hat.

Angesichts dessen, was an diesem Abend im „ZiB“-Studio tatsächlich passiert ist, wirken diese Rezensionen ein wenig exzentrisch. Ein erfolgsverwöhnter 80-Jähriger ohne herkömmliche Medienerfahrung hat sich nicht an die Regeln des öffentlich-rechtlichen Interviewjournalismus gehalten. Und?

Man muss Stronachs Meinung, dass Ex-Magna-Manager Sigi Wolf ein toller Bundeskanzler wäre, wirklich nicht teilen. Sein Anspruch, er sei zurückgekehrt, um der österreichischen Bevölkerung die Wahrheit zu verkünden, wirkt etwas überspannt. Und dass er sich in seinen politischen Planungen von Peter Westenthaler beraten lässt, wird viele vernünftige Menschen davon abhalten, mit Stronach zu kooperieren.

Aber woher kommt die offen zur Schau gestellte Verachtung, mit der die österreichische Journalisten-Boheme Figuren wie Frank Stronach und Dietrich Mateschitz verfolgt? Menschen, die auf eine lange Karriere als Passivsportler zurückblicken können, erklären einem präzise, warum Herr Mateschitz, dessen Team gerade österreichischer Fußballmeister geworden ist, im Fußball versagt hat. Professionelle politische Beobachter, deren intellektuelle Alltagsherausforderung in Gesprächen mit österreichischen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern besteht, merken pikiert an, dass Frank Stronach kein Intellektueller sei.

Es sieht so aus, als käme eine Gruppe von Menschen, die Tag für Tag ins Büro gehen, Überstunden notieren und zugleich den Eindruck einer waghalsigen künstlerischen Existenz erwecken müssen, nicht damit zurecht, dass da jemand nicht nach ihren Regeln spielt. Würde jemand diese Exponenten der intellektuellen Elite so behandeln, wie sie das mit Frank Stronach oder Dietrich Mateschitz tun, wäre ihr Urteil klar: ein typischer Fall von Kleinbürgerspießertum. Das Außergewöhnliche wird als Normabweichung identifiziert und mit allen verfügbaren Mitteln aufs eigene Mittelmaß heruntergeschrieben.

Anders ist nicht erklärbar, dass man Frank Stronach empört vorwirft, er wolle sich Politiker kaufen. Was tun denn Parteien und Sozialpartner seit Jahrzehnten anderes? Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Stronach bereit ist, für die Durchsetzung seiner Interessen eigenes Geld einzusetzen, während die etablierten Institutionen es als ihr heiliges Recht ansehen, dafür das Geld der Steuerzahler zu verwenden.

Dass sich die Parteien gerade eine Verdoppelung ihrer Apanagen aus dem Steuertopf genehmigt haben, wird maßvoll kritisiert. Dass ein erfolgreicher Unternehmer einige Millionen in die Finanzierung einer Partei investieren will, die im politischen Wettbewerb seine Vorstellungen repräsentiert, wird als Angriff auf die Demokratie denunziert: Irgendetwas stimmt da nicht.


Die Häme, die jetzt über die Unbeholfenheit, das Pathos und das Sendungsbewusstsein Frank Stronachs ausgegossen wird, ist nichts anderes als ein lautes „Haltet den Dieb!“. Da sagt einer, der es sich leisten kann, Dinge, die wir alle auch längst hätten sagen können. Weniger pathetisch, weniger linkisch, weniger abgehoben vielleicht. Aber letztlich führt uns da einer, der auf nichts Rücksicht nehmen muss, vor Augen, dass wir Journalisten es uns in dem System, das wir von Zeit zu Zeit mit einer hübschen Pointe kritisieren, ganz gut eingerichtet haben.

Man mag von Frank Stronachs politischen Ideen und ihrer Umsetzbarkeit, vor allem von seinen personellen Vorstellungen, halten, was man will. Wie die Medien derzeit als Systemerhalter des herrschenden Mittelmaßes agieren, zeigt jedenfalls, dass er einen wunden Punkt getroffen hat. Die Schmerzensschreie sind unüberhörbar.

E-Mails an: michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2012)

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