Russland: "Rückkehr zu den Stalin-Prozessen"

Punk gegen Putin Aktivistinnen
Punk gegen Putin Aktivistinnen(c) EPA (MAXIM SHIPENKOV)
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Die drei inhaftierten Musikerinnen der Band "Pussy Riot" sind in den Hungerstreik getreten. Sie hatten gegen Präsident Putin protestiert. Dieser verliert indes immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung.

Sie sangen in Russland kritische Lieder gegen Präsident Wladimir Putin und wurden dafür verhaftet. Nun traten drei Mitglieder der Punk-Band "Pussy Riot" in den Hungerstreik. Sie protestierten damit gegen die Entscheidung eines Gerichts, ihnen nur fünf Tage Zeit für die Vorbereitung ihres Prozesses zu geben. Das berichtete eine der jungen Frauen, Nadeschda Tolokonnikowa. Auch die Anwälte der Musikerinnen kritisierten die Entscheidung scharf.

Tolokonnikowa sagte bei einer Voranhörung im Gericht des Moskauer Taganski-Bezirks, der Beschluss, so wenig Vorbereitungszeit einzuräumen, sei "gesetzeswidrig". Dem Gericht gehe es nur darum, die Verhandlung wegen der großen öffentlichen Unterstützung für die Angeklagten zu beschleunigen. Um ihre Kritik zu untermauern, trug die Musikerin ein T-Shirt mit dem spanischen Protest-Slogan "No pasaran" (sie werden nicht durchkommen). Ihre ebenfalls angeklagten Bandkolleginnen Jekaterina Samuzewitsch und Maria Alechina schlossen sich dem Hungerstreik an.

Der Vorsitzende des Tribunals erklärte, fünf Tage seien "ausreichend, um die Dokumente zu lesen". Anwalt Mark Feigin sagte, die Prozessunterlagen umfassten mehr als 2800 Seiten, elektronische Beweise nicht eingerechnet. Deshalb hatte die Verteidigung ursprünglich gefordert, dass der Prozess nicht vor dem 1. September beginnen solle. Feigins Kollege Nikolai Polosow sprach von einer "Rückkehr zu den Stalin-Prozessen".

Vorwurf: "Organisiertes Rowdytum"

Den drei Frauen, von denen zwei Kinder haben, wird "organisiertes Rowdytum" vorgeworfen. Darauf steht eine  Strafe von bis zu sieben Jahren Haft. Die Gruppe hatte zwei Wochen vor der russischen Präsidentschaftswahl für Aufsehen gesorgt, als sie auf dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, der wichtigsten russisch-orthodoxen Kirche, ein "Punk-Gebet" sprachen, um die engen Beziehungen der Orthodoxen Kirche zum damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin anzuprangern. In einem Lied forderten sie die Amtsenthebung Putins, der inzwischen wieder russischer Präsident ist.

Der Fall der Band Pussy Riot polarisiert im teilweise sehr religiösen Russland. Mehr als hundert namhafte russische Künstler, darunter auch Putin-Anhänger, hatten Ende Juni in einem Protestbrief die Freilassung der Musikerinnen verlangt. Vor dem Justizgebäude kam am es Mittwoch wie bereits bei früheren Verhandlungen zu Ausschreitungen. Wie ein AFP-Reporter berichtete, wurde etwa ein Dutzend Unterstützer der Bandmitglieder festgenommen.

Putin verliert an Vertrauen

Präsident Wladimir Putin verliert unterdessen zunehmend den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung. laut einer Umfrage des Moskauer Meinungsforschungsinstituts Lewada hat sich die Zahl der Bürger, die ihm gar nicht vertrauten, seit Ende 2010 auf 13 Prozent der Befragten verdreifacht. Zuletzt hätten 49 Prozent der Russen dem seit gut zwölf Jahren regierenden Politiker das Vertrauen ausgesprochen, wie die Moskauer Zeitung "Kommersant" berichtete.

Putin erreicht demnach nach seiner Rückkehr in den Kreml am 7. Mai nicht mehr seine früheren Werte. Als Grund nannten Experten den "moralischen Verfall innerhalb der Machtführung".

(APA/dpa/AFP)

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