Wer Notfallszenarien präventiv zu entwickeln lernt, hat im Ernstfall die besten Karten. Doch wie handelt man richtig?
Nach der Krise ist vor der Krise: Trotz aller Bemühungen lassen sich bekanntlich weder Naturkatastrophen noch menschenverursachte Übel grundsätzlich verhindern. Steuerbar dagegen ist die Reaktion auf einen Ernstfall – und damit die Chance, schnell und effizient weiteres Leid zu verhindern sowie Zeit und Geld zu sparen. Doch wie handelt man richtig?
Prävention zahlt sich aus
„Die zentrale Frage ist immer die Erkennbarkeit“, betont Martin Zechner, Koordinator des Universitätskurses „Unternehmenskommunikation und Krisenkommunikation“ an der Uni for Life in Graz. Nur wer das Problem sieht, kann darauf reagieren – und im Vorteil ist, wer es schon sieht, wenn es erst entsteht. „Ein effizientes Krisenmanagement basiert auf einer fundierten Präventionskonzeption“, sagt Gerhard Grossmann, Vorstand des Internationalen Wissenszentrums für Krisen- und Katastrophenforschung an der Universität für Gesundheitswissenschaften des Landes Tirol (UMIT). Diese bietet den Universitätslehrgang „Krisen- und Katastrophenmanagement“ an. Den Studierenden stehen dabei eine wissenschaftliche Einsatzleitstelle, die auf einem geländegängigen Lkw untergebracht ist, ebenso zur Verfügung wie ein Berge- und Forschungsschiff sowie ein modernes Seenotrettungsboot – beide sind in Triest stationiert. Vermittelt wird im Lehrgang unter anderem das Führen in Einsatzstäben, ärztliches Notfallmanagement, Risikoanalysen, Verletzlichkeitsanalysen und Know-how zum menschlichen Verhalten in Ausnahmesituationen.
An der Uni Graz hat man vor allem Unternehmer und Kommunikationsprofis im Blick, die sich im Bereich Krisenmanagement weiterbilden möchten. „Grundsätzlich sollte jedes Unternehmen, jede Organisation ihre Krisenpotenziale kennen und auf diese vorbereitet sein“, so Zechner. Niemand sei davor geschützt, in eine Krisensituation zu kommen. Ein Ergebnis der Finanzkrise 2008 sei aber, dass die Frühwarnsysteme verbessert wurden. „Sehr oft werden Risken jedoch ignoriert, was zum Ausbruch von Krisen führt“, gibt Zechner zu bedenken. Beispiele für gelungenes Krisenmanagement sind schwer zu nennen, da der Notfall ja verhindert wird , und „man das Risiko als externer Betrachter gar nicht bemerkt“.
Neben negativen Folgen lösen Krisen aber auch positive Veränderungsprozesse aus, Unternehmer, die Krisensituationen erfolgreich überstanden haben, investieren oft in Änderungen auf der Produktebene und in Verbesserungen in den Abläufen. Als Beispiel nennt Zechner die Mercedes A-Klasse, die 1997 gekippt ist. „Das Kippen des Autos und die weltweite Debatte zum Thema Fahrzeugsicherheit hat dazu geführt, dass die Sicherheitssysteme der Autos massiv verbessert wurden und Systeme wie beispielsweise ESP seit damals zur Serienausstattung jedes Fahrzeuges gehören.“
Für Risken und Veränderung sensibel zu sein, lässt sich auch in Seminaren und Kursen trainieren. Der Krisennavigator Austria etwa bietet Beratung und Training in den Bereichen Krisenkommunikation und Krisenmanagement an, führt aber auch Krisenübungen für Führungskräfte durch.
Politisches Krisenmanagement gefordert
Auch auf politischer Ebene wird ein professionelles Krisenmanagement jedoch immer dringlicher, ist Grossmann überzeugt. Die aktuellen Probleme in Griechenland, Spanien, Portugal zeigen, „wie wichtig es gewesen wäre, über ein fundiertes Präventionskonzept zu verfügen“. Denn, so der Befund Grossmanns: „Intervention ohne Prävention degradiert zu einer empirisch nicht mehr überprüfbaren Abfolge von ressourcenintensiven Interventionsprogrammen, eigentlich eine Form ,ballistischen Handelns‘“. Bei Letzterem werden Auswirkungen von Handlungen nicht mehr kontrolliert. Europa macht aus der Sicht Zechners „derzeit das, was man in einer derartigen Situation machen kann: Man versucht den Worst Case, nämlich den Kollaps einzelner Volkswirtschaften, abzuwenden.“ Ob das gelinge, sei nicht abzuschätzen. Der Experte gibt allerdings auch zu bedenken – und befindet sich hier etwas im Widerspruch zu Grossmanns Sicht: Der Fall Griechenlands sei unter politischen Aspekten zu beurteilen – und da könne man die klassischen Regeln des Krisenmanagements nicht anwenden.
WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.umit.at, www.uniforlife.at
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2012)