Beihilfe zur Heuchelei

Absurder geht es kaum: In Saudiarabien bedrohen die Wahhabiten jeden, der vom Islam abfällt, mit dem Tod. In Wien eröffnen sie mit rot-schwarzer Unterstützung ein Dialogzentrum der Religionen.

Diese Woche konnte Saudiarabien wieder einen internationalen Spitzenplatz belegen. Das US-Institut „Freedom House“ bescheinigte dem Königreich, zu den neun repressivsten Regimes der Welt zu zählen. Im gastfreundlichen Wien stört das niemanden. Hier darf sich das Haus Saud mit großer Geste als Hort der Toleranz präsentieren, freundlich unterstützt von der Bundesregierung.

In der letzten Sitzung vor der Sommerpause segnete das Parlament mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und BZÖ die Errichtung des „König Abdullah Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ ab. Die neue Organisation, die am 26.November im Palais Sturany am Schottenring21 ihre Pforten öffnen wird, ist deshalb nach dem saudischen König benannt, weil er alles zahlt. Einen hohen zweistelligen Millionenbetrag ist dem greisen Monarchen das PR-Projekt wert. Sorgen um unerwünschte Folgen der Versuchsanordnung muss er sich nicht machen. Das Gespräch mit Vertretern anderer Weltreligionen findet in sicherer Entfernung von seiner Heimat statt. Und in Wien sieht sein treuer Diener Faisal Abdulrahman bin Muammar, Saudiarabiens ehemaliger Vize-Bildungsminister, als Generalsekretär des Zentrums nach dem Rechten. Ihm zur Seite freut sich Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die bisher ihr theologisches Expertenwissen erfolgreich geheim gehalten hat, über einen Versorgungsposten.

In Saudiarabien selbst ist die Dialogkultur bekanntlich nicht so stark ausgeprägt. Wer auf die Idee kommen sollte, vom Islam abzufallen, ist gut beraten, sich vorher ein Plätzchen auf dem Friedhof zu sichern. Denn ihm droht die Todesstrafe. Die wenigen Christen im Land, großteils Gastarbeiter, müssen ihre Messen privat im Untergrund feiern. Ihnen ist nicht gestattet, Kirchen zu bauen. Großmufti Sheikh Abdul-Aziz al-Sheikh möchte das weiterhin so halten und das wahhabitische Toleranzmodell sogar auf andere Länder ausweiten. Jüngst riet er dazu, alle christlichen Gotteshäuser auf der arabischen Halbinsel zu zerstören. Zu Juden pflegt Saudiarabien ein Sonderverhältnis: Ihnen ist nicht einmal erlaubt, ins Land der heiligen Stätten des Islam einzureisen.

Die Wahhabiten rechtfertigen mit ihrer mittelalterlichen Islam-Auslegung bizarre Einschränkungen grundlegendster Rechte. Während sich Bandion-Ortner für die absurde Wiener Palaver-Institution hergibt, dürfen Frauen in Saudiarabien nicht einmal Autos lenken. Auch in außerreligiösen Fragen versteht der Polizeistaat eher wenig Spaß.

Es ist naiv zu glauben, dass die ziellosen interreligiösen Lockerungsübungen am Schottenring positive Rückwirkungen auf Saudiarabien haben könnten. Näher liegt der Verdacht, dass König Abdullah die Pirouetten im Dialogzentrum drehen lässt, um das Image seines Regimes aufzupolieren und den Blick auf die üble Realität in Saudiarabien zu verstellen. Österreichs Regierung lässt sich für eine Heuchleraktion einspannen.

Wenn das die Nordkoreaner spitzkriegen, eröffnen sie demnächst ein Demokratiezentrum am Donaukanal.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2012)

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