Scientology: Hubbards heimische Anhänger

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Mehrere tausend Österreicher gehören Scientology an. Trotz des harmlosen Auftretens - auch in Wien werden Gegner und Aussteiger verfolgt und bedrängt.

Der erste Schritt zur Sekte ist einfach. Spaziert man in eine der Wiener Scientology-Niederlassungen, ein Kellerlokal in einer Seitengasse der Mariahilfer Straße, wähnt man sich in einem Buchladen. Broschüren, sanfte Klaviermusik, ein junger Mann hinter dem Tresen, zwei Frauen mittleren Alters. In den Regalen die Bücher L. Ron Hubbards: „Dianetik“ oder „Scientology“. Die Cover erinnern an Science-Fiction-Trash aus vergangenen Jahrzehnten.

Freundlich reagiert die gepflegte Dame auf die Bitte nach Info-Material. Eine Gratis-DVD? Broschüren? „Schauen Sie sich das an, wenn das was für Sie ist, wenn Sie Fragen haben, kommen Sie jederzeit wieder!“ Faschistoide Strukturen, Straflager, ein Geheimdienst, der Abtrünnige verfolgt? Mit jenen Aspekten, die anlässlich der Trennung der Aushängeschilder Tom Cruise und Katie Holmes derzeit kursieren, hat Scientology in Wien wenig zu tun. Auf den ersten Blick.


Geld und Seele. Doch auch die Wiener Niederlassung arbeitet strikt nach den Vorgaben der internationalen Organisation. Und der geht es, sagt Wilfried Handl, „schlicht und einfach um die Weltherrschaft“. Handl war 28 Jahre lang Scientologe, einige davon Österreich-Chef, 2002 stieg er aus, seither gilt er als einer der wenigen Experten im deutschsprachigen Raum. Wie er sich seine langjährige Mitgliedschaft erklärt? „Das Schlimme ist: Man gibt, ohne dass es einem auffällt, die eigene Führung ab, man hat die Idee, dass man am Steuer sitzt, in Wirklichkeit liegt man im Kofferraum.“

Man verfalle schnell dem totalitären System, der Idee, einer Elite anzugehören. Das „Zuckerl, der ultimative Joker“ sei die geistige Unsterblichkeit. Auf dem Weg dorthin werden Kurse um 100.000, 200.000 Euro belegt. Handl: „Sie wollen alles: Geld und Seele.“ Heute bekämpft er die Organisation, die einst seine Religion sein sollte (und die in Österreich Vereinsstatus hat). Religion? „Wenn, dann ist das eine UFO- oder eine klassische Psycho-Sekte.“

Handl beziffert die Zahl der Scientologen in Österreich mit 300 bis 600 aktiven Mitgliedern, inklusive der passiven Anhänger schätzt er die Zahl auf höchstens 1200 bis 1500. Scientology selbst gibt 5000 bis 6000 Mitglieder an, „ziemlich stabil, mit leichten aber stetigen Steigerungen“. Der Großteil konzentriert sich auf die beiden Standorte in Wien (jenen im sechsten und einen im 23. Bezirk, ein „Celebrity Center“ für Reich und Schön), dazu kommen eine „Mission“ in Salzburg und eine im Kärntner Wolfsberg.

Ulrich Hlava schätzt die Zahl auf 2000 bis 3000 Scientologen allein in Wien. Er ist Chefinspektor im Wiener Landesamt für Verfassungsschutz, das Scientology, anders als oft kolportiert, seit Langem beobachtet. Hlava verfolgt seit 16 Jahren die Aktivitäten der Sekte, wertet Literatur aus, steht mit führenden Scientologen in Kontakt. Die führenden Scientologen Österreichs, das sind nach außen Sonja Henkel, die Sprecherin, und Angelika Thonauer von der OSA, dem Office of Special Affairs, einer Mischung aus Pressestelle und internem Geheimdienst.

Hlava spricht von „guter Kooperation“, gegen die Wiener Organisation liege nichts strafrechtlich Relevantes vor, die Demonstrationen seien stets angemeldet: öffentliche „Stresstests“, mit denen Scientologen Passanten für sich gewinnen wollen, „Nein zu Drogen, Ja zum Leben“-Aktionen. Etwa einmal pro Woche stellt sich eine kleine Gruppe auf dem Wiener Schwedenplatz oder am Schottentor mit ihren Materialien für einige Stunden auf, um zu werben. Auch hinter einigen Nachhilfeangeboten steckt die Organisation.

Wie Hlava die Gefahr einschätzt? „Die Lehren Hubbards haben verfassungsgefährdende Aspekte. Werden die Richtlinien angewendet, ist das gefährlich. Aber wir haben keine Beweise.“ Aussteiger Handl warnt auch vor den persönlichen Gefahren. Scientologen seien „intelligente, gewinnende Menschen. Das ist etwas, was man gern vergisst. Man darf nicht glauben, zu einer Sekte geht nur einer, der eh schon labil ist.“ Gibt es in Wien auch jene Szenarien, dass Mitglieder, die aussteigen wollen, bedroht und verfolgt werden? „Laufend“, sagt Verfassungsschützer Hlava. Alle zwei, drei Monate, sagt er, suchen Menschen bei ihm Hilfe, die sich von der Organisation lösen wollen. Zwei Drittel, schätzt er, leiden unter Psychosen. Meist geht es darum, dass jemand die Gebühren für die Kurse nicht mehr zahlen könne.


„Ideal Org“ für Wien. Aber auch die Sekte hat mitunter Zahlungsprobleme, das geht aus dem internen E-Mail-Verkehr der Jahre 2010 und 2011 hervor, den die Hackergruppe Anonymous (die sich gern mit Scientology matcht) im Juni veröffentlicht hat. Probleme nach der Wirtschaftskrise, sagt Scientology, die inzwischen überwunden seien. Vorige Woche hat die Sekte Handl geklagt, weil er die geleakten E-Mails in seinem Blog kommentiert.

Aus ihnen, sagt er, gehe auch hervor, dass Scientology eine „Ideal Org“ in Wien plant, eine Art Flagshipstore. Scientology bestätigt das gegenüber der „Presse“: Eine „Ideal Org“ sei ein „ausreichend großes und repräsentatives Gebäude“, in dem man sich informieren können soll. Apropos Information: In der Bundesstelle für Sektenfragen betreffen laut ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht die meisten Anfragen Scientology.

Die besten Zeiten, glauben Handl und Hlava, habe Scientology in Österreich dabei aber wohl hinter sich. Vielleicht eine Art Verzweiflungsakt, dass Scientology im März Unterrichtsmaterialien gleich direkt an Schulleiter in Klagenfurt verschickt hat? Im „Celebrity Center“ in der Liesinger Akaziengasse finden freilich nach wie vor jedes Wochenende große Veranstaltungen statt, gut 20 teure Autos, viele mit Kennzeichen aus östlichen Nachbarländern, verparken dann die umliegenden Straßen, erzählt ein Anrainer.

Auch mit Flugblättern wird geworben, dort wie in der Innenstadt: „Was bringt die Zukunft?“ „Wie können Sie eine glückliche Beziehung haben?“ Die Info-DVDs, sagt die Frau im Kellerlokal im 6., seien schon rar, in den vergangenen Tagen seien schließlich mehr Interessenten da gewesen als sonst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2012)

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