FPK-Chef Uwe Scheuch schließt einen Rückzug nicht mehr kategorisch aus. Mit Ausnahme der FPÖ fordern alle Parteien seinen Rückzug. Im Parlament wird über eine Verschärfung der Rechtslage diskutiert.
Wien. Und dann war doch wieder alles anders: Montagmorgen, in einem Interview mit dem ORF-Radio, hatte der Kärntner Vizelandeshauptmann Uwe Scheuch einen Rücktritt noch explizit ausgeschlossen. Zu Mittag relativierte er seine Aussagen: Er werde zunächst die Rechtskraft des Urteils abwarten und dann eine Entscheidung treffen, sagte Scheuch bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt.
Den Meinungsumschwung und seinen Rundumschlag auf die höchsten Amtsträger der Republik – Bundespräsident Heinz Fischer und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) – rechtfertigte der Chef der Kärntner Freiheitlichen (FPK) sinngemäß so: Er sei vom Reporter überrumpelt worden. Doch hinter den Kulissen der Freiheitlichen Partei dürfte der Druck auf den Kärntner Parteichef inzwischen gestiegen sein. Öffentlich wollte sich die FPÖ-Spitze bisher nicht zum Urteil äußern.
Scheuch war am Freitag erneut der verbotenen Geschenkannahme schuldig gesprochen worden (nicht rechtskräftig). Richterin Michaela Sanin verurteilte den FPK-Chef zu sieben Monaten bedingter Haft und einer Geldstrafe von 150.000 Euro, weil er 2009 einem Russen Subventionen zugesagt hatte – im Gegenzug für eine Parteispende.
Angriffe auf Fischer und Prammer
Dass ihm Fischer (in der TV-Pressstunde am Sonntag) und Prammer den Rücktritt nahegelegt hatten, will Scheuch nicht einfach so hinnehmen: Der Bundespräsident müsse „aufpassen, dass die Freiheitliche Partei nicht ihn zum Rücktritt auffordert“, sagte er frühmorgens im ORF-Radio. Und Prammer richtete er aus: „Die Frau Präsidentin wird irgendwann aufpassen müssen, dass sie nicht ihren eigenen Bundeskanzler zum Rücktritt auffordert.“ Es war eine Anspielung auf die Inseraten-Affäre, in der die Staatsanwaltschaft gegen Kanzler Werner Faymann ermittelt.
Mit Ausnahme der FPÖ fordern jedoch alle Parteien Scheuchs Rückzug. Gestern legte auch noch Vizekanzler Michael Spindelegger nach: „In dieser Situation gibt es nichts anderes, als dass man sein Amt zur Verfügung stellt“, sagte der ÖVP-Chef der „Kleinen Zeitung“.
Rein rechtlich müsste Scheuch nicht zurücktreten. Denn das Gesetz sieht einen automatischen Amtsverlust erst bei einer bedingten Haftstrafe über zwölf Monate oder einer unbedingten über sechs Monate vor. Prammer würde diese Grenzen gerne senken. Die Parlamentsklubs von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ nahmen den Vorschlag gestern wohlwollend auf. Auch die FPÖ zeigte sich gesprächsbereit. Generalsekretär Herbert Kickl kritisierte allerdings, dass es sich hier um Anlassgesetzgebung handle.
Genau davor warnt der Wiener Strafrechtsprofessor Frank Höpfel im Gespräch mit der „Presse“: „Anlassgesetzgebung ist jedenfalls immer schlecht“, sagt Höpfel – im konkreten Fall werde es aber ohnehin nicht einfach werden, eine Gesetzesänderung zu beschließen. Der strafrechtliche Amtsverlust gelte nämlich primär für Beamte. Was wiederum heißt, dass auch deren mächtige Gewerkschaft Widerstand gegen eine allfällige Änderung leisten könnte.
Eingeführt wurde die Bestimmung des Amtsverlustes nach Paragraf 27 des Strafgesetzbuches ursprünglich, um sich langwierige Disziplinarverfahren für delinquente Beamte zu ersparen. Politiker – die vom Beamtenbegriff des Strafgesetzbuchs miterfasst sind – habe man „gar nicht im Kopf gehabt“, als der Amtsverlust Gesetz wurde, erklärt Höpfel.
Für den FPK-Chef sieht er einen klaren „Schuss vor den Bug“ durch das Strafausmaß von sieben Monaten bedingt: „Wäre die Strafe unbedingt verhängt worden, hätte er sein Amt verloren.“
Inzwischen steht fest, dass das Verfahren weiter offen ist: Auch die Staatsanwaltschaft hat am Montag berufen. Scheuchs Verteidiger hatte noch am Freitag Berufung angekündigt. Weil nun beide Rechtsmittel eingelegt haben, kann die Strafe vor dem Oberlandesgericht Graz nun milder oder strenger werden – oder ganz aufgehoben.
Auf einen Blick
Der Kärntner Vizelandeshauptmann Uwe Scheuch(FPK) wurde am Freitag erneut der verbotenen Geschenkannahme für schuldig befunden – und zu sieben Monaten bedingter Haft bzw. 150.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Zwingend ist ein Rücktritt nicht: Einen automatischen Amtsverlust sieht das Gesetz erst ab einer (bedingten) Haftstrafe über zwölf Monate oder einer unbedingten von über sechs Monaten vor.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2012)