Russlands "Aluminiumkrieg" vor Londoner Gericht

Russlands Aluminiumkrieg Londoner Gericht
Russlands Aluminiumkrieg Londoner Gericht(c) REUTERS (SERGEI KARPUKHIN)
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In London begann am Montag ein Gerichtsverfahren zwischen dem russischen Multimilliardär Oleg Deripaska und seinem ehemaligen Ziehvater Michail Tschernoi.

London/Moskau. Dass Oleg Deripaska sich in seiner spektakulären Oligarchenkarriere oftmals zu verteidigen verstand, demonstriert er nicht zuletzt mit seiner Körperhaltung. Bewusst oder unwillkürlich ballte der damals reichste Russe und bis heute Anteilseigner der Strabag bei einem Mittagessen mit Journalisten 2008 die Faust, als er von der „Presse“ gefragt wurde, ob der in London drohende Milliardenprozess gegen ihn seine globalen Expansionspläne behindern könne. „In keiner Weise“, meinte er schroff und stellte klar, dass die Frage damit erledigt sei.

Vier Jahre später hat der Hauptaktionär und Chef des weltgrößten Aluminiumproduzenten Rusal nicht nur die krisenbedingte Rettung seines Konzernimperiums durch den Staat und die Verlegung des Rusal-Börsenganges von London nach Hongkong hinter sich. Vier Jahre später begann am gestrigen Montag in London auch endgültig der Prozess gegen den 44-Jährigen und damit ein weiteres Stück Aufarbeitung der wilden 1990er-Jahre, in denen die großen Vermögenswerte in Russland auf mehr oder weniger undurchsichtige Weise ihre Besitzer wechselten und sich die bis heute aktive Riege von Oligarchen herausgebildet hat.

Klage des ehemaligen Ziehvaters

Angestrengt wird der Prozess von niemand Geringerem als Michail Tschernoi, einem der größten Bosse in der russischen Metallindustrie der 1990er-Jahre. Der heute 60-jährige israelische Staatsbürger, der 2009 von Interpol wegen des Verdachts der Geldwäsche zur Fahndung ausgeschrieben worden ist, verlangt von Deripaska drei Milliarden Dollar Kompensation für jenen 20-Prozent-Anteil an Rusal, den er 2001 an Deripaska abgetreten habe. Deripaska hingegen behauptet, dass Tschernoi 2001 kein Geschäftspartner von ihm war.

Was 2001 wirklich passiert ist, werden also Londoner Juristen klären. Was vor 2001 der Fall gewesen war, ist indes weitgehend bekannt. Deripaska, gelernter Physiker und anschließend verwegener Broker, war Mitte der 1990er-Jahre auch den dominanten Figuren in der Metallindustrie aufgefallen. Michail Tschernoi und sein Bruder Lev erkannten sein Talent und verleibten sich mit ihm gemeinsam lukrative Teile von Russlands Aluminiumbranche ein. Allem Anschein nach aber haben sie ihren Schützling unterschätzt. Deripaska, der später in die Familie des Ex-Präsidenten Boris Jelzin einheiratete, drängte einen um den anderen aus dem Geschäft. Am Ende auch seine Ziehväter, die sich sukzessive aus Russland zurückzogen. Tschernoi selbst war später bis zu einem Aufenthaltsverbot in Bulgarien aktiv, wo er die bulgarische MobilTel an die Gruppe um den österreichischen Ostinvestor Martin Schlaff veräußerte, der sie 2005 mit einem Gewinn von über 800 Mio. Euro an die Telekom Austria weiterverkaufte.

Kontakt mit Mafiagruppen?

Deripaska, 2008 auch kurzzeitig Aktionär von Magna, sieht sich aber nicht nur Anschuldigungen seitens Tschernois gegenüber. Auch andere Player der Branche werfen ihm gewaltsame Firmenübernahmen in den 1990er-Jahren und Verbindungen mit ausgewiesen mafiösen Gruppen vor.

Letzteres hat Deripaska – in Bezug auf die 1990er-Jahre – jedoch bereits selbst zugegeben, dies aber mit der Notwendigkeit erklärt, für sich selbst und die eigenen Mitarbeiter Sicherheit zu gewährleisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2012)

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