Wie die ÖVP sich selbst zu motivieren versucht

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Generalsekretär Hannes Rauch malt über Rot-Grün im Bund schwarz. Adressat sind die eigenen Funktionäre. Nicht wenige in der ÖVP waren verdutzt.

Wien/Pri. Rund 400 ÖVP-Funktionäre erhielten dieser Tage Post von Generalsekretär Hannes Rauch. In den Briefumschlägen befand sich eine 61-seitige Fibel, die den Titel „Rot-Grün“ und den Subtitel „Eine gefährliche Drohung“ trägt. Die Bundespartei alias Rauch spielt darin eine Art Was-wäre-wenn-Spiel. Was wäre, wenn die SPÖ nach der Nationalratswahl 2013 eine Koalition mit den Grünen bildet?

Rauch kommt unter anderem zu folgenden Schlüssen: Rot-Grün – das hieße nicht nur „hohe Energiepreise“ und „mehr Steuern“. Es bedeutete auch „Schuldenpolitik“, „Chaos und Anarchie“ bzw. „Guantánamo-Häftlinge in Österreich“. Haschisch würde legalisiert, die Ehe abgeschafft und Abtreibung auf Krankenschein ermöglicht.

Nicht wenige in der ÖVP waren verdutzt. Was es mit dem Zeitpunkt – mitten im Sommer – auf sich habe, fragten andere. In Oberösterreich, wo die ÖVP mit den Grünen regiert, sah sich manch einer sogar veranlasst, sich beim Koalitionspartner für den eigenen Generalsekretär zu entschuldigen.

Dabei sind weder die Grünen noch der Regierungspartner im Bund die Zielgruppe des Pamphlets: Indem ein gemeinsames Feindbild gezeichnet wird, sollen vor allem die eigenen Reihen motiviert werden. In Zeiten, in denen die krisengebeutelte ÖVP Gefahr läuft, auf Platz drei abzurutschen, ist ein Weckruf nicht nur logisch, sondern geradezu notwendig gewesen. Der Sommer kam Rauch dabei gelegen: Die thematische Konkurrenz ist nicht so übermächtig, als dass er nicht Gehör finden würde: Die „Krone“ berichtete am Mittwoch auf einer ganzen Seite.

Kräuter: „Dirty Campaigning“

Über die Wortwahl lässt sich dafür streiten. Rauch sagt, er könne jede These mit einem Zitat eines SPÖ- oder Grünen-Politikers belegen. Günther Kräuter, Bundesgeschäftsführer der SPÖ, spricht schon von „Dirty Campaigning“. Der Wahlkampf dürfte damit eröffnet sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2012)

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