Japan-China: Streit um unbewohnte Meeresklippen

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Weil der japanische Staat eine umstrittene Inselgruppe kaufen will, droht China „Maßnahmen“ an. Ein jahrzehntealter Streit ist wieder aufgeflammt. Peking entsendet Patrouillenboote.

Tokio. Im ostchinesischen Meer ist ein jahrzehntealter Streit zwischen Japan und China wieder aufgeflammt: Drei chinesische Patrouillenboote wurden am Mittwoch in japanischen Gewässern gesichtet, nahe der umstrittenen Inselgruppe Sekaku (Diaoyu). Tokio forderte „den sofortigen Rückzug aus unseren Hoheitsgewässern“ und bestellte den chinesischen Botschafter ein.

Man mag es sich kaum vorstellen: Japan, China und Taiwan – drei wichtige Wirtschaftsnationen und Nachbarländer – zanken sich um ein paar unbewohnte Meeresklippen von nicht einmal sechs Quadratkilometern Fläche. Jeder dieser Staaten beansprucht die fünf Mini-Eilande und drei Felsen im ostchinesischen Meer für sich. Seit 1972 verwaltet Tokio die Senkaku-Gruppe (wie sie auf Japanisch heißt), was von Taipeh und Peking abgelehnt wird. Nicht einmal über den Namen der Inselgruppe gibt es Einigung. Peking pocht auf die Bezeichnung Diaoyu. Und zu allem Überfluss sind diese „Immobilien“ in Privatbesitz.

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Hohe Miete für Militärübungen

Im Grundbuch der Präfekturhauptstadt Saitama eingetragen sind als Eigentümer angeblich der japanische Unternehmer und Großgrundbesitzer Hiroyuki Kurihara sowie dessen weit verzweigte Familie. Er soll vier der unbewohnten Eilande und Felsen seit 1970 besitzen und hat sie seither an das Tokioter Verteidigungsministerium verpachtet. Dieses wiederum erlaubt dem in Japan stationierten US-Militär, die Inseln für Militärübungen zu nutzen. Rund 250.000 Euro pro Jahr zahlt die Regierung dafür an die Eigentümer.

Kurihara lebt selbstverständlich nicht dort, sondern in Tokio. Der Kurihara-Clan hat die Inseln offiziell aus dem Privatbesitz von Freunden erworben, die vor Jahren dort eine Fabrik für Trockenfisch und zur Verarbeitung von Albatross-Federn betrieben. Angeblich wurden damals dafür – nach heutigem Kurs – umgerechnet 10.0000 Euro bezahlt. Die Bedingung: Kurihara und die Familie dürfen diesen Grund nur an die japanische Regierung oder eine öffentliche Organisation verkaufen.

Vier Dekaden lang hat der heute 65-Jährige deshalb jedes private Angebot abgelehnt. Aber vor ein paar Wochen schloss die Eigentümerfamilie eine Übereinkunft mit der Tokioter Verwaltung über den Verkauf von drei Inseln. Deren schillernd nationalistischer Gouverneur und China-Gegner Shintaro Ishihara  hatte zuvor mehrfach vergeblich versucht, die Inseln zu kaufen. Die Kurihara-Sippe lehnte ab, weil sie „nicht an ein Individuum verkaufen darf“. Aber diesmal gab sie grünes Licht.

Da die Hauptstadtverwaltung nicht über die Militärkraft verfügt, die Inseln zu verteidigen, greift nun die Zentralregierung ein. Premier Yoshihiko Noda lässt in der Bevölkerung Geld sammeln, um drei der Inseln, darunter das größte Eiland Uotsuri, als Staatseigentum aufzukaufen. Bisher sollen rund 13 Millionen Euro an Spenden zusammengekommen sein.

Öl, Gas und Fischerei

Peking reagierte heftig. Japan habe für den Kauf von Diaoyu – in der chinesischen Variante – kein Recht. Die chinesische Regierung kündigte „Maßnahmen“ an, „um die Souveränität zu schützen.“

Der Meeresfelsen sorgt seit Jahrzehnten für Streit zwischen Ostasiens Mächten. Im Herbst 2010 drohte der Inselstreit zu einer handfesten diplomatischen Krise zu werden, als ein chinesisches Fischerboot mit einem Schiff der japanischen Küstenwache kollidierte und Japans Marine daraufhin den chinesischen Kapitän festnahm. Gelingt Noda die Verstaatlichung, können China und Taiwan ihre Ansprüche wohl auf ewig vergessen. Und damit auch die Rechte auf reiche Fanggründe für Fisch und Krabben. Rund um die kargen Felsen werden zudem große Rohstoffvorkommen wie Öl und Gas vermutet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2012)

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