Zielgruppe weiblich: Was Frauen wollen (sollen)

Zielgruppe weiblich Frauen wollen
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So manche Werbekampagne, die Frauen ganz pauschal adressiert, geht daneben. Dennoch, die prinzipielle Idee ist nicht ganz falsch. Auch Experten sagen: Werbung wird immer weiblicher.

Pink ist die Modefarbe des Sommers. An jeder Straßenecke sieht man es leuchten. Meist ist es die grelle Neonvariante, in allen Ausführungen, von den dezenten Accessoires bis zum Ganzkörperoutfit. Kann man es also einem Elektronikfachgeschäft übel nehmen, wenn es auf diesen Zug aufspringt und Frauen mit dieser Farbe zu ködern versucht? Ja, man kann. Wer sich in die „Woman's World“ verirrt, den letzten Marketingcoup von Media Markt, fühlt sich als Frau, dezent ausgedrückt, auf den Arm genommen. Denn die Produktpalette reicht vom Staubsauger mit pinkfarbenem Auffangbehälter über pastellfarbene Tischventilatoren und Körperfettwagen bis zum elektrischen Massagegerät gegen Gesichtsfalten und Akne. Das mit einem roten Banner gekennzeichnete, etwa drei mal drei Meter große Areal lockt mit einer Sitzbank und Dekoelementen wie rosa Glassteinen und Kerzen auf Meeressand. Diese Werbeidee ist in den Medien schon rauf- und runtergeprügelt worden, vor allem in Deutschland amüsierte man sich über die drollige Marketingstrategie, die ausnahmslos in österreichischen Media-Markt-Filialen umgesetzt wurde.

Dennoch, die prinzipielle Idee des Handels, Frauen gezielt anzusprechen, ist nicht ganz falsch. „80 Prozent der Kaufentscheidungen werden heute von Frauen getroffen“, sagt Katharina Schmid von der Werbeagentur Demner, Merlicek und Bergmann.


Gesellschaft wird weiblicher. Dementsprechend würden sich Werbebotschaften zunehmend an weibliche Bedürfnisse anpassen. Beispiel Autowerbung: „Da dominieren mittlerweile Themen wie Sicherheit, Nachhaltigkeit und Familienfreundlichkeit über PS-Stärke und Statusbewusstsein.“ Früher als typisch weiblich angesehene Bedürfnisse würden auch immer mehr von Männern adaptiert und rücken ins Zentrum der Gesellschaft.

Aber was gilt dann eigentlich noch als typisch weibliches Bedürfnis? „Über 50 Prozent der Frauen geben an, dass sie unter notorischem Zeitmangel leiden“, sagt Schmid. Bei Frauen kommen also derzeit Produkte besonders gut an, die Zeit sparen helfen. Die Bio-Convenience-Sparte sei etwa groß im Kommen, also die Verschmelzung von Bioprodukt und Fertiggericht. Das verspricht eine Erleichterung für multitasking-geplagte Frauen: Das Gericht ist schnell zubereitet, und man hat trotzdem das Gefühl, dass etwas Hochwertiges auf den Tisch kommt. Auf der Zeitschiene fahren auch jene Werbestrategien, die den Frauen kleine Inseln der Erholung im stressigen Alltag versprechen. Sie vermitteln die Botschaft: „Gönn dir doch was, nimm dir Zeit für dich selbst.“

Psychologe Arndt Florack von der Universität Wien bringt den Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Kaufverhalten so auf den Punkt: „Männer wollen das Auto fahren, das kein anderer hat. Frauen wollen das Auto, das alle anderen haben.“ Frauen hätten stärker das Bedürfnis, sich mit einer Gruppe abzustimmen, während Männer ihr Selbstbewusstsein eher darüber definieren, dass sie aus der Gruppe herausstechen.

Auch Männer flanieren. „30 Prozent mehr Frauen als Männer nutzen soziale Netzwerke wie Facebook“, sagt Werberin Schmid. Die Werbewirtschaft macht sich diese Tatsache bereits zunutze. Das fängt bei den „Gefällt mir“-Buttons an, die man bei online angebotenen Produkten häufig findet. Und hört bei der in den USA bereits praktizierten Variante auf, dass Leute dafür bezahlt werden, als Privatpersonen in ihrem (digitalen) Umfeld für bestimmte Produkte Werbung zu machen.

In der Durchdringung von privater Kommunikation und Werbebotschaft sehen internationale Marketing-Gurus wie Martin Lindstrom die Zukunft der Werbung: „Was du kaufst, bestimmen die anderen“, heißt es in Lindstroms Branchenbibel „Brainwashed“. Ein Mythos sei es hingegen, dass Frauen generell „erlebnisorientiert“ einkaufen, während Männer „aufgabenorientiert“ shoppen, meint Florack. Denn ob sich jemand gern Zeit lässt und flaniert oder mit einem klaren Ziel vor Augen ein Geschäft betritt, hängt vor allem davon ab, ob man mit den dort angebotenen Produkten positive Gefühle verbindet. Während ein Mann sich also stundenlang damit beschäftigen kann, technische Features von Fernsehern zu vergleichen, probiert frau zwanzig T-Shirts nacheinander an. Oder umgekehrt.

Klischeefallen. Ein Blick auf die Website der „Woman's World“ zeigt übrigens, dass Media Markt aus der Medienschelte gelernt hat: Die Farbe Pink ist nicht mehr vorherrschend. Doch wenn man sich von platten Frauenthemen wie Haushalt oder Beauty verabschiedet, bleibt wiederum die Frage, warum ein bestimmtes Smartphone oder ein Laptop denn gerade für Frauen interessant sein soll. Es scheint beinahe unvermeidlich, dass bestimmte Klischees bedient werden, wenn man Frauen pauschal adressiert. Dass dann von irgendeiner Seite ein Aufschrei kommt, ist fast vorprogrammiert. Wie man es macht, man macht es den Frauen halt nie recht. Aber auch das ist ein Klischee.

Verkaufstricks

Mehr Platz im Einkaufswagerl
Einkaufswagen werden immer größer – damit man der Illusion erliegt, dass man ohnehin erst wenig gekauft hat.

Spiegelnder Boden
Ein spiegelnder Boden sieht glatt aus und bremst daher das Tempo. Wer langsam geht, sieht und kauft mehr.

Teuer steht rechts im Regal
Was links steht, übersieht man leichter; ideal ist rechts und auf Augenhöhe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2012)

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