Ein Ex-Manager der Barclays Bank packte aus. Seinen Angaben zufolge sollen die britische Regierung und die Notenbank niedrigere Zinsen verlangt haben. Der Libor gehört zu den wichtigsten Zinssätzen weltweit.
In der Affäre um Zinsmanipulationen durch mehrere Großbanken hat Jerry del Missier, ein ehemaliger Mitarbeiter der britischen Bank Barclays, die Regierung und die Aufsicht belastet. Missier sagte vor einem Ausschuss des britischen Parlaments aus, dass es politischen Druck gegeben habe. Missier erklärte, sein Ex-Chef Bob Diamond habe ihm gesagt, die Notenbank und die britische Regierung seien besorgt über die relativ hohen Zinssätze gewesen. Sie wollten eine Senkung durchsetzen.
Der Londoner Interbankensatz Libor gehört zu den wichtigsten Zinssätzen weltweit. Er wird einmal täglich in London ermittelt und zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Er basiert auf individuellen Angaben mehrerer Großbanken. Er dient als Referenz für Kredite an Unternehmen, Privatpersonen und weitere Finanztransaktionen in der Höhe von rund 500 Billionen Dollar (409 Billionen Euro).
Weltweit laufen in der Causa Untersuchungen gegen eine Vielzahl von Großbanken. Betroffen sind unter anderem die Deutsche Bank, die Schweizer UBS, JP Morgan, die Bank of America und die Citigroup. Ihnen wird vorgeworfen, von 2005 bis 2009 den Zinssatz Libor mit falschen Angaben manipuliert zu haben, um Handelsgewinne zu erzielen.
Strafen in Milliardenhöhe drohen
Laut Berechnungen der US-Investmentbank Morgan Stanley droht den betroffenen Instituten eine Strafe von bis zu 18 Mrd. Euro. Barclays hat bereits Fehlverhalten eingeräumt und sich mit den Behörden in den USA und Großbritannien auf eine Geldbuße von einer halben Mrd. Dollar geeinigt. Finanzkreisen zufolge soll die Deutsche Bank in der Causa in der EU und in der Schweiz den Kronzeugenstatus erhalten haben. Das Institut nimmt dazu nicht Stellung.
Der Präsident der britischen Notenbank bestreitet, dass man Manipulationen angeordnet oder gebilligt habe. „Wir haben das erste Mal vom mutmaßlichen Fehlverhalten erfahren, als die offiziellen Berichte vor zwei Wochen herausgekommen sind“, sagte Zentralbankchef Mervyn King am Dienstag bei einer Anhörung des Finanzausschusses. Zuvor habe es dafür keine Anzeichen gegeben.
Auch die US-Notenbank Fed soll ihm gegenüber keine Bedenken geäußert haben. Allerdings veröffentlichte die Fed in der Vorwoche Dokumente, wonach sie den Kollegen in Großbritannien schon vor vier Jahren empfohlen habe, die Berechnungen des Libor-Zinssatzes zu ändern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2012)