Der Bundespräsident gab grünes Licht für ESM und Fiskalpakt - erst jetzt kann der Verfassungsgerichtshof prüfen. Juristen fordern eine Regelung wie in Deutschland.
Gestern, Dienstag, hat Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) sowohl den Fiskalpakt als auch den Vertrag zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) unterzeichnet. Damit ist die letzte Hürde für das Inkrafttreten der beiden völkerrechtlichen Verträge genommen. Die Unterzeichnung sei „nach sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte“ erfolgt, erklärte Fischer in einer Aussendung. Überzeugende oder gar zwingende Gründe, die eine Verweigerung der Ratifizierung erforderlich machen, würden nicht vorliegen.
Mit seiner Unterschrift gibt Fischer auch der Opposition grünes Licht: FPÖ, Grüne und BZÖ wollen über den Sommer eine Verfassungsklage gegen den Fiskalpakt vorbereiten und anschließend beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einbringen. Gegen den Rettungsschirm ESM, den die Grünen mitbeschlossen haben, wollen die Freiheitlichen über die Kärntner Landesregierung im Alleingang vorgehen. Der VfGH darf völkerrechtliche Verträge aber erst prüfen, wenn sie beschlossen und kundgemacht wurden – was in den nächsten Tagen passieren wird.
Anders ist die Situation in Deutschland: Hier befindet das Verfassungsgericht erst am 12. September über die Zulässigkeit des dauerhaften Rettungsschirms ESM und des Fiskalpakts – bevor Fischers deutscher Kollege, Joachim Gauck, selbst entscheidet, ob er die Verträge unterzeichnet. Damit kann Gauck seine eigene Entscheidung auf die Meinung der Experten basieren.
In Österreich hatte sich zuletzt VfGH-Präsident Gerhart Holzinger für ein Überdenken der aktuellen Regelung, die eine Überprüfung erst nach Ratifizierung des Vertrages ermöglicht, ausgesprochen. Und damit ist er nicht alleine: Die deutsche Regelung sei eine „durchaus brauchbare“, sagt etwa Franz Fiedler, ehemaliger Präsident des Rechnungshofes im Gespräch mit der „Presse“. „Damit könnte Fischer die Dinge mit jener Gelassenheit wie Gauck betrachten.“ Allerdings müsse der VfGH die Entscheidungen im Eilverfahren durchführen.
Österreich in einer „Zwickmühle“
Auch der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger betrachtet die österreichische Regelung als eine „sehr halbe Sache“. Denn auch wenn der VfGH befinde, dass ein solcher Vertrag verfassungswidrig sei, könne er ihn nicht aufheben. „Österreich ist völkerrechtlich weiterhin dazu verpflichtet.“ Innerstaatlich dürfte der Vertrag aber nicht angewandt werden.
Österreich wäre in diesem Fall in einer „Zwickmühle“, sagt auch Jurist Bernd-Christian Funk. Eine Reform sei schon öfter im Gespräch gewesen. Warum nie etwas geschehen sei? „Formulieren wir es so: Das hat wohl was mit österreichspezifischer Beharrlichkeit zu tun.“
Doch wozu würde sich Österreich mit den beiden Verträgen tatsächlich verpflichten? Ziel des ESM ist, Euro-Krisenländer vor einem Kollaps durch unbezahlbar hohe Anleihezinsen zu schützen. Die österreichische Beteiligung liegt bei rund 2,2 Milliarden Euro in Cash sowie weiteren 17,3 Milliarden Euro an Garantien.
Der Fiskalpakt soll ein Ende der Schuldenpolitik in Europa bringen: Angestrebt werden nahezu ausgeglichene Budgets. Das jährliche strukturelle – also um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte – Defizit eines Landes darf 0,5Prozent der Wirtschaftsleistung nicht übersteigen. Er tritt in Kraft, wenn zwölf der 25 Vertragsstaaten den Vertrag ratifiziert haben.
Auf einen Blick
Der Verfassungsgerichtshof kann in Österreich nur Staatsverträge (Fiskalpakt, ESM) überprüfen, die schon ratifiziert sind. In Deutschland ist das schon vorher möglich. Jetzt wird über eine Reform diskutiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2012)