Verwirrend, kompliziert: Lebensmittelkontrollen made in Austria

Die Prüfer. Die Lebensmittelkontrolle in Österreich ist komplex und kompliziert, die Zahl der Mängel leicht rückläufig.

Wien. Für den Tiroler Speck war 2008 kein gutes Jahr. Der Verdacht auf dioxinverseuchtes Fleisch in Produkten des Fleischwarenherstellers „Handl Tyrol“ hat sich damals zwar nicht bestätigt. Den Konsumenten wurde aber deutlich, dass in einem „Speck aus Tirol“ ziemlich wenig von „Tirol“ stecken muss: Denn für seine Produkte importierte Handl einen Großteil des Schweinefleischs aus Deutschland und Dänemark. Da das Fleisch aber in Österreich verarbeitet wurde, hat Handl seine Specksorten völlig legal als „aus Tirol“ stammend bezeichnet – eine Praxis, die in zahlreichen heimischen Betrieben gängig ist.

Bei Handl Tyrol waren die Aufregung und der Imageschaden zu groß – seit 2010 verwendet der Tiroler Betrieb für seine fünf Specksorten nur noch heimisches Fleisch und hat sich den (strengen) Auflagen des AMA-Gütesiegels unterworfen.

Wie österreichweit 40.000 andere Betriebe: Das rot-weiß-rote Gütesiegel der AMA (Agrarmarkt Austria) garantiert, dass das Fleisch zu 100Prozent aus Österreich stammt (die Tiere also hier geboren, gemästet und geschlachtet werden). Ohne AMA-Siegel hat man als Kunde diese Garantie nicht: Eine beliebige rot-weiß-rote Fahne allein oder derartige Hinweise auf der Packung bedeuten nicht unbedingt, dass das Fleisch von Tieren aus Österreich stammt.

Ähnlich strenge Kriterien gelten bei der AMA auch für Obst, Gemüse und Milchprodukte. Die AMA führt jährlich an die 10.000 Kontrollen durch und überprüft dabei auch die Herkunft mittels Warenstromanalysen. Verletzungen – also die Verwendung von Rohstoffen aus anderen Ländern – kommen so gut wie nie vor. Freilich kontrolliert die AMA nur die 40.000 Unternehmen, die sich unter dem – werbewirksamen – Gütesiegel vereinen: Der Rest der Unternehmen und Bauern wird von der AMA nicht erfasst.

Generell ist das System der Lebensmittelkontrollen in Österreich auf den ersten Blick nicht leicht zu durchschauen: So ist die Überprüfung der EU-Gütesiegel „g.g.A.“ (geschützte geografische Angabe) und g.U. (geschützte Ursprungsbezeichnung, etwa Wachauer Marillen) nicht nur in öffentlicher Hand: Die Betriebe müssen sich zusätzlich selbst um die Kontrolle durch private Lebensmittelkontrollfirmen wie die SGS kümmern.

Abgesehen davon ist Lebensmittelkontrolle Sache der einzelnen Bundesländer, in den meisten Fällen zieht die jeweilige Landeslebensmittelaufsicht Proben – in Wien ist das Marktamt zuständig. Ausgewertet werden die Proben zu einem großen Teil in den Labors der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), die unabhängig davon auch von sich aus überprüft.

Die Zahl der Mängel, die von Lebensmittelaufsichtsbehörden und Ages pro Jahr gefunden werden, ist rückläufig, liegt aber immerhin bei 14,1Prozent (siehe Grafik): Von 31.782 Proben gab es bei 85,9Prozent keine Mängel. Häufigster Beanstandungsgrund waren Kennzeichnungsmängel. 1260 Proben wiesen, wie es im Beamtendeutsch heißt, „zur Irreführung geeignete Angaben“ auf. Darunter fällt die Verwendung geschützter Ursprungsbezeichnungen. Wobei bei letzterem Punkt – dem Herkunftsnachweis – die Beweisführung schwierig ist. Der Nachweis im Labor – etwa ob Kürbiskerne tatsächlich in der Steiermark gewachsen sind – ist teuer, schwierig und wird nur selten durchgeführt.

Meist wird ganz simpel überprüft, ob Lieferschein und Warenmenge übereinstimmen: Ob also etwa ein Marktstand tatsächlich nur heimische Kirschen vertreibt oder auch ausländische bezieht und als „österreichische“ (teurer) verkauft. Das Wiener Marktamt wird hier etwa bei fünf Prozent seiner Kontrollen fündig. Die Folgen: Beschlagnahmung der Ware, Anzeige und Geldstrafen zwischen 300 und 10.000 Euro. Bei schweren Fällen fällt die falsche Kennzeichnung unter Betrug: Der Händler muss mit einer Anklage rechnen. In Wien gab es heuer bereits drei Anklagen: Darunter ein Marktstandler, der ausländische Erdbeeren im großen Stil als österreichische Ware verkauft hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2012)

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