Rumänien ab sofort unter EU-Kuratel

Rumaenien sofort unter EUKuratel
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Krise des Rechtsstaates: Die Europäische Kommission sieht ihr Vertrauen in die rumänische Regierung erschüttert und wird bis Jahresende regelmäßig Prüfer nach Bukarest schicken.

Brüssel. Rumäniens sozialdemokratische Übergangsregierung steht ab sofort unter dauerhafter Überwachung der Europäischen Kommission. Am Mittwoch erklärte Kommissionspräsident José Manuel Barroso, die jüngsten Ereignisse in Rumänien hätten „unser Vertrauen erschüttert. Parteipolitischer Zwist kann die Ausschaltung von Grundprinzipien der Demokratie nicht rechtfertigen.“ Die Missachtung des Verfassungsgerichts, das Aufheben bewährter Verfahren und die Entfernung wichtiger Elemente der Gewaltenteilung hätten „die Verpflichtung der Regierung, die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren, infrage gestellt“, warnte Barroso.

Darum werde die Kommission „angesichts der gegenwärtigen Unwägbarkeiten“ noch Ende 2012 einen weiteren Bericht über die Justizreform und die Korruptionsbekämpfung erstellen. „Im Rahmen regelmäßiger Besuche vor Ort sowie häufiger Unterredungen mit Vertretern der rumänischen Behörden“ werde die Brüsseler Behörde „die Fortschritte genau überwachen“, hieß es im aktuellen, am Mittwoch vorgestellten Bericht der Kommission.

Schuld sind immer die anderen

So streng ist bisher kein EU-Staat wegen seiner rechtsstaatlichen Versäumnisse kontrolliert worden. Zum Vergleich: Bulgarien, das ebenso wie Rumänien weiterhin kein wirklich europareifes Justizwesen hat und regelmäßig von Korruptionsskandalen erschüttert wird, hat bis Ende 2013 Zeit, gegenüber Brüssel seinen Reformeifer unter Beweis zu stellen.

Doch das strenge Vorgehen der Kommission gegenüber Bukarest scheint angesichts der jüngsten Ereignisse gerechtfertigt. So teilte der amtsführende Regierungschef, Victor Ponta, am Mittwoch per Twitter mit, Rumänien brauche die Berichte der Kommission, denn „das ist ein Mechanismus, der uns helfen wird, die Probleme hinter uns zu bringen, die in den Jahren des Basescu-Regimes geschaffen wurden.“

Schuld sind also stets die anderen, im Fall des Sozialdemokraten Ponta der vorläufig seines Amtes enthobene Präsident Traian Basescu, sein politischer Erzfeind. Und tatsächlich ist in den fast acht Jahren der Amtszeit des konservativen Basescu zumeist nur auf dem Papier etwas in Rumänien weitergegangen. Egal, auf welcher Seite man den 28-seitigen Kommissionsbericht aufschlägt, man stößt überall auf dasselbe Muster: Reformorientierte Gesetze werden erlassen, aber nicht ordentlich angewendet; Staatsanwälte und Anti-Korruptions-Jäger nehmen hohe politische Amtsträger aufs Korn, doch die Gericht trödeln so lange, bis die vorgeworfenen Straftaten verjährt sind. Zumindest in einem hochrangigen Fall hat Rumäniens Justiz Biss bewiesen: Adrian Nastase, einst rumänischer Regierungschef sowie Pontas Zieh- und Doktorvater, ist rechtskräftig wegen illegaler Parteienfinanzierung zu zwei Jahren Haft verurteilt.

„EU-Erweiterung wird kritischer“

Doch die Probleme sind nicht auf die beiden Länder beschränkt. Ihre Probleme haben vielmehr zu einer deutlichen Verschärfung der Beitrittskriterien für die Länder des Westbalkans geführt. „Klar, dass der Erweiterungsprozess kritischer geworden ist“, sagte ein EU-Diplomat am Mittwoch zur „Presse“.

Bestes Beispiel dafür ist Montenegro. Seit Ende Juni laufen zwar die Beitrittsverhandlungen, doch sie beginnen mit den härtesten Nüssen, nämlich den Kapiteln 23 (Judikative und Grundrechte) und 24 (Justiz, Freiheit und Sicherheit). Kroatien wiederum, das 2013 beitritt, ist nur haarscharf einem Überwachungsmechanismus entgangen. Detail am Rande: Es war die Regierung in Bukarest, die bis zuletzt auf eine möglichst harte Behandlung Zagrebs drängte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2012)

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