Der Mensch und sein Futter: Kein Pardon für Panscher!

Lebensmittelskandale regen die Menschen auf. Aber nicht alles, was illegal ist, ist auch gesundheitsschädlich. Und nicht alles, was ungustiös ist, ist verboten.

Lebensmittel sind dem Menschen etwas Heiliges. Essen zählt für die überwiegende Mehrheit zu den schönsten Dingen auf der Welt. Wenn dabei irgendetwas nicht stimmt, dann trifft uns das auch emotional hart. Kein Wunder: Lebensmittel sind, wie der Name schon sagt, die Mittel, von denen wir leben. Das ist tief in uns eingebrannt. Wenn wir etwas von gefälschtem Mozzarella, von Analogkäse und Gammelfleisch oder von listerienverseuchtem Käse hören, dann sind wir empört, erschüttert, erzürnt. Lebensmittelskandale zählen folglich zu den größten Medienhypes – von BSE bis EHEC. Selbst dann, wenn bei nüchterner Betrachtung nicht viel Substanz hinter einem angeblichen „Skandal“ steckt.

Bei aller verständlichen Empörung: Man muss immer genau hinschauen, was eigentlich passiert ist. Nicht alles, was verboten ist, ist gesundheitsschädlich. Und nicht alles, was ungustiös ist, ist auch illegal. Die allermeisten Beanstandungen von Lebensmitteln durch die Kontrollbehörden betreffen eine falsche Kennzeichnung. Das sind meist harmlose „Kleinigkeiten“ wie irrtümlich vertauschte Zutaten oder (verbotene) gesundheitsbezogene Angaben.

In letzter Zeit häufen sich falsche Herkunftsbezeichnungen – eine direkte Folge davon, dass viele Konsumenten mehr über die regionale Herkunft wissen wollen, am besten zurückverfolgbar bis zum einzelnen Bauern. Die Hersteller sitzen dabei bisweilen in der Zwickmühle: Sie haben sich einen Markt aufgebaut, auf dem sie ihre Güter zu hohen Preisen absetzen können – aber irgendwann reicht ihre Produktionsmenge nicht mehr aus, um diese Nachfrage auch bedienen zu können. Zuletzt gab es solche Verdächtigungen bei steirischem Kürbiskernöl, das laut einer Analyse des VKI – zumindest bei manchen Produzenten – auch Öl aus chinesischen Kernen enthalten soll. In einer neuerlichen Analyse wurde dieser Vorwurf zwar größtenteils entkräftet, doch das ändert nichts an der Versuchung, der manche Produzenten oder Händler unterliegen. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten.

Eine ganz andere Dimension haben Verfälschungen von Lebensmitteln, die die Gesundheit der Konsumenten schädigen. Da man muss ganz klar sagen: Das sind kriminelle Taten, die strengstens verfolgt werden müssen. Kein Pardon für gewissenlose Panscher, die ohne Rücksicht auf Verluste und Nebenwirkungen ihren Profit maximieren!

Die Palette der Straftaten, die immer wieder vorkommen, ist lang. Man erinnere sich hierzulande etwa an das Umpacken und Neuetikettieren von altem Fleisch. Oder an todbringende Fälschungen, von denen immer wieder etwa aus China berichtet wird: von Melamin in der Milch bis hin zu gefälschten Schweinsohren aus Schlachtabfällen und Gelatine. Ganz zu schweigen von den aktuellen mafiosen Machenschaften wie in Süditalien, wo Konsumenten systematisch und jahrelang übers Ohr gehaut wurden.


Der Konsument hat vieles selbst in der Hand: Unser aller Kaufentscheidungen bestimmen letzten Endes, was produziert wird und was in welcher Form in die Regale kommt. Dabei darf man nicht naiv sein: Wer sich um 2,99 Euro ein hochwertiges Schnitzelfleisch erwartet, der ist mit schuld, wenn ein immer stärkerer Preisdruck manche Produzenten zum Schummeln verleitet. Qualität und „Echtheit“ haben eben ihren Preis.

Neben einer strikten Gesetzgebung und einer glaubwürdigen Kontrolle ist der Markt das wirksamste Regulativ zur Überwindung von Lebensmittelskandalen. Das Paradebeispiel dafür lieferten Österreichs Weinbauern. Zur Erinnerung: Im Jahr 1985 wurde ruchbar, dass manche Winzer im Burgenland und in Niederösterreich dem Geschmack ihres Weins durch die giftige Chemikalie Diethylenglykol nachgeholfen haben. Daraufhin brach der Absatz völlig ein, auch der Wein von redlichen Winzern war unverkäuflich.

Was damals niemand für möglich gehalten hätte: Der Weinskandal wurde gut genützt. Durch eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten wurde das Vertrauen der Konsumenten zurückerobert, Österreichs Weinwirtschaft erlebte einen ungeahnten Höhenflug. Der bis heute anhält.

E-Mails an: martin.kugler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2012)

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