Bulgarien: Attentäter als Rucksacktourist verkleidet

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Die Polizei veröffentlicht ein Überwachungsvideo, das den mutmaßlichen Terroristen kurz vor dem Anschlag auf israelische Touristen zeigt. Im Atomkonflikt haben Anschlagsversuche in Drittstaaten zuletzt zugenommen.

Burgas/Jerusalem/Wien. Er fiel niemandem weiter auf: Der Mittdreißiger mit halblangem, braunem Haar, der am Mittwochnachmittag in der Wartehalle des „Sarafowo“-Flughafens in Burgas auf und ab ging. Im Überwachungsvideo, das das bulgarische Innenministerium gestern veröffentlichte, sah er aus wie ein typischer Urlauber: Baseballkappe, schwarz-weiße Bermudashort, blaues T-Shirt, weiße Sportschuhe. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack, dazu eine Umhängetasche. Der Mann betritt die Wartehalle, blickt suchend um sich, verlässt das Gebäude wieder.

Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass er der Selbstmordattentäter war, der zusammen mit 40 israelischen Touristen später einen Reisebus bestieg und anschließend, um 17:25 Uhr Ortszeit, die Bombe noch auf dem Parkplatz des Airports zündete.

Bereits seit Tagen in Bulgarien

Der Mann soll sich seit einigen Tagen in Bulgarien aufgehalten und über falsche US-Dokumente verfügt haben. Eine DNA-Analyse der stark verstümmelten Leiche des Attentäters soll nun seine Identität klären. Außer dem mutmaßlichen Terroristen starben der bulgarische Chauffeur sowie fünf israelische Staatsbürger. 70 Verletzte sowie die israelischen Todesopfer wurden gestern mit einem Flugzeug nach Tel Aviv gebracht.

Bulgarien ist ein beliebtes Reiseziel für israelische Touristen. Vergangenes Jahr besuchten 135.000 Israelis den Balkanstaat, dieses Jahr wurde ein Anstieg um weitere 15.000 Besucher erwartet.

In Sofia herrscht Bestürzung über das Attentat. Gleichzeitig mehrten sich kritische Stimmen: Warnungen von israelischer Seite seien missachtet worden; die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Flughafen seien extrem lax. Auch Premier Bojko Borissow steht nun wegen einer früheren Äußerung in der Kritik. Er hatte nach dem Anschlag im Flughafen Moskau-Domodedowo im Jänner 2011 in gewohnt unbekümmert-flapsiger Manier seine „sichere“ außenpolitische Strategie erklärt, die später als „Döner-Doktrin“ in die Berichterstattung eingehen sollte. Bulgarien verfolge mit der arabischen Welt „eine balancierte Außenpolitik“. Borissow weiter: „Die arabische Welt macht Business in Bulgarien, an jeder Ecke steht eine Dönerbude.“ Ganz so einfach scheint es für Bulgarien nicht zu sein, auch wenn viele Experten glauben, dass das Land eher aus pragmatischen Gründen ins Visier der Attentäter gerückt ist.

Iran: „Lächerlicher“ Verdacht

Auch wenn sich bis gestern Nachmittag niemand zu dem Terrorakt bekannt hat, zweifelt die Regierung in Jerusalem nicht daran, dass die Drahtzieher für das Attentat in Teheran sitzen, und dass sie von den schiitischen Extremisten der libanesischen Hisbollah unterstützt wurden. Man wolle mit Härte, aber nicht übereilt reagieren, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Der Iran hat die israelischen Verdächtigungen als „lächerlich“ abgestritten.

Umgekehrt hatte sowohl die Regierung in Teheran als auch die Hisbollah guten Grund für Racheaktionen gegen Israel. Die libanesischen Extremisten haben seit dem Tod von Imad Mughniyya eine Rechnung mit Israel offen. Der damalige Chef der Hisbollah-Sicherheitsabteilung kam Anfang Februar 2008 bei der Explosion einer Autobombe in Damaskus ums Leben. Israel gab jetzt zu, dass der Mossad hinter dem Mordanschlag stand. Auf das Konto des Geheimdienstes geht wohl auch eine Serie von ungeklärten Todesfällen iranischer Atomphysiker.

Der Anschlag in Burgas war nicht der erste Vergeltungsversuch. „Seit Jänner hat es zehn Attentate gegeben“, sagt Ely Karmon vom „International Institute for Counter-Terrorism“ in Herzlia. „Hinter allen stand Iran.“ Die meisten hätten von Mossadagenten vereitelt werden können. Andere klappten zum Teil, wie die Anschläge auf israelischen Diplomaten in Neu Delhi und Tiflis, wo Mitte Februar mehrere Menschen verletzt wurden. Allen Terroraktionen gemein sei, dass der Einsatzort in Drittstaaten lag, „wo die iranische Führung keinen politischen Preis bezahlen muss“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)

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