Ehrgeiz statt Fun-Faktor

Siegertypen. Wie gewinnt man eine Gleichmäßigkeitsrallye? Das Duo Schramke/Umfahrer muss es wissen – die beiden wurden heuer zum dritten Mal Ennstal-Sieger. von Karin Schuh

Der Schein trügt. Der Laie denkt bei Ennstal Classic in erster Linie an ältere Herren, die über das nötige Kleingeld verfügen, sich motorisierte, nostalgische Spielzeuge leisten zu können, um mit diesen dann – gemeinsam macht es bekanntlich mehr Spaß, und vielleicht will man ja auch zeigen, was man hat – in den schönen steirischen Bergen mit Gleichgesinnten gemütlich ein paar Runden fahren. Ganz so falsch liegt man damit auch nicht. Aber zumindest das mit den gemütlichen Runden trifft eigentlich nur noch auf eine Minderheit zu.

Denn von den 230 Autos, die zwischen 1917 und 1972 gebaut wurden, werden nur wenige wirklich just for fun gelenkt. Der Großteil der Teams bereitet sich akribisch auf die Gleichmäßigkeitsrallye, die die Ennstal Classic seit 20 Jahren ist, vor. Da wird nicht gemütlich aus dem Fenster geschaut, den Zaungästen gewinkt und die Landschaft genossen. Nein, wenn überhaupt jemand von den Herren oder Damen im Cockpit etwas von der Landschaft mitbekommt, dann ist das der Fahrer, der notgedrungen auf die Straße blicken muss. Der Beifahrer hingegen hat sein Auge stets auf Stoppuhr, Tripmaster oder Schnitttabellen gerichtet.

Die Ennstal Classic ist also, allein aufgrund der Autos, die sich im Gegensatz zu moderneren Modellen nicht von selbst fahren, vor allem eines: Arbeit.

Um fünf Hundertstel vorn

Und die hat sich heuer für das Duo Helmut Schramke und Peter Umfahrer bereits zum dritten Mal gelohnt. 2003 und 2006 haben die beiden bereits den Gesamtbewerb der Ennstal gewonnen. Auch heuer ist es ihnen wieder mit einem Jaguar XK 150 DHC, Baujahr 1960, gelungen. Spannend war es bis zum Schluss, denn bis zum letzten Bewerb sah es für die beiden Österreicher eher nach Platz drei aus. Mit 896 Strafpunkten lag das Duo Schramke/Umfahrer lediglich um fünf Strafpunkte (weniger) vor den Zweitplatzierten, dem Ehepaar Karsten und Monika Wohlenberg, die einen Mercedes-Benz 230 SL von 1964 fuhren. Auf Platz drei kam das Duo Christian Mitterdorfer und Isabella Barth mit einem Jaguar E-Type S1 OTS.

Ohne Ehrgeiz kein Sieg

„Es geht uns um den Fun-Faktor, wir wollen Spaß haben und uns der Challenge stellen“, sagt Schramke, wenn man ihn nach seiner Motivation fragt. Doch ganz so lässig dürften er und sein Beifahrer die Sache doch nicht angehen. Fragt man Michael Glöckner, der gemeinsam mit Helmut Zwickl die Rallye organisiert, wird deutlich, dass die beiden das Ganze mit einer gehörigen Portion Ehrgeiz betreiben. „Das sind schon extreme Typen, die wirklich trainieren. Die sind am ersten Tag vor der Rallye sicher zehn Trainingsrunden gefahren.“

Generell hat er beobachtet, dass jene Teilnehmer, die wirklich mit Eifer dabei sind, immer mehr werden. Während früher noch fünf oder zehn Teams ernsthaft den Sieg im Auge hatten, schätzt er die Anwärter heute auf 30 bis 40. „Gewinnen wollen viele, aber 30 bis 40 bereiten sich so darauf vor, dass sie gewinnen können“, so Glöckner.

Schramke will das nicht ganz abstreiten: „Ohne Ehrgeiz kann man nicht gewinnen.“ Was das Training und die Vorbereitung anbelangt, bezeichnet er sich und seinen Kopiloten aber eher als weniger ambitioniert: „Wir trainieren gar nicht, sind aber seit zehn Jahren ein eingespieltes Team.“

Zweimal im Jahr fahren der Unternehmer, der gemeinsam mit seiner Frau Stefanie das Trachtenmodenhaus Mothwurf leitet, und sein Kopilot Umfahrer, ein Zahnarzt, gemeinsam eine Rallye. „Andere fahren zehn im Jahr“, so Schramke, der dann in einem Nebensatz doch etwas von seinem Ehrgeiz verrät. Die erste Ennstal Classic hat er nämlich mit seinem Zweit-Oldtimer, einem MG A, Baujahr 1957, und einem anderen Beifahrer absolviert. „Dem ging aber die Hundertstel-Reiterei auf die Nerven.“

Bei seinem aktuellen Beifahrer, Peter Umfahrer, der gleichzeitig sein bester Freund ist, ist das zum Glück nicht so. Der dürfte in seiner Rolle als Kopilot, in der man Zeiten und Geschwindigkeiten vorgibt, richtig aufgehen. Wobei, dass der Beifahrer, der ja sagt, wo es langgeht, der eigentliche Chef im Cockpit ist, will Schramke so nicht gelten lassen. Immerhin übernimmt er in seinem Jaguar XK 150 DHC als Fahrer die Verantwortung für die Navigation.

Sein Beifahrer hingegen vergleicht alle 100 Meter die Werte und bestimmt die Geschwindigkeit. „Wenn ich ihm aber einen Wert nicht glaube und denke, dass er sich verrechnet hat, dann bleib ich auf meiner Strecke“, so Schramke.

Ihn stört, dass kaum jemand weiß, dass bei der Ennstal nicht nur gemütlich mit Klassikern gefahren wird, sondern dass diese auf Hundertstel genau fahren. Und dass eine Geschwindigkeit von 50 km/h entlang der ganzen Strecke, zwischen 400 und 500 Kilometer lang, gehalten werden muss. Was selbst bei modernen Autos spätestens in einer Kurve kein Kinderspiel ist. Hinzu kommt, dass die Routen ja nicht gesperrt werden und lediglich bei speziellen Sonderprüfungen etwa auf dem Flugplatz Niederöblarn oder am Stoderzinken die Vintage Cars unter sich sind.

Wo Autofahren noch Arbeit ist

Warum Leute wir Schramke und Umfahrer überhaupt bei der Ennstal Classic teilnehmen, begründet er mit der netten Atmosphäre, der tollen Strecke, dem Zusammentreffen mit Gleichgesinnten und – das dürfte allen das Wichtigste sein – dem „Autofahren wie früher“.

Hört man sich bei den Ennstal-Classic-Teilnehmern um, wird schnell deutlich, dass sich die Teams vor allem für das direkte, herausfordernde, anspruchsvolle Fahren begeistern. „In einem modernen Auto wird ja alles gefiltert, bis hin zum Bodenkontakt. In einem Oldtimer sieht, riecht und spürt man die Umgebung, und auch dass es draußen fünf Grad hat“, so Glöckner. Er meint, der Trend zum Oldtimerfahren sei ungebrochen, und ist überzeugt, dass je mehr moderne Autos heute können, desto attraktiver uns jene alte Autos erscheinen, die Arbeit, Hingabe und ein bisschen Leidenschaft erfordern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)

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