Zeitreise (2). Alte Autos finden alle super. Aber würden wir wirklich gegen unsere Heutigen tauschen wollen?
Autos, Baujahr 2012, haben eine letzte Schwachstelle: den Menschen am Steuer. Bremsversagen, Reifenplatzer, Kolbenreiber samt blockierender Räder – derlei nistet in der Unfallstatistik unter fernen Oliven. Wenn es kracht, hat einer nicht aufgepasst oder war zu schnell oder beides. Deshalb wachen elektronische Assistenten im Dutzend über den, der da noch Lenkrad und Pedale bedient, obwohl man auch das bereits Sensoren und Rechnern überlassen könnte – autonomes Fahren ist ein heißes Thema für die gar nicht so ferne Zukunft. Entertainment und Multimedia sind im Cockpit eingezogen, die Straße ist nur noch eine Ebene von vielen.
Im Jahr 1965 hatte man Telefone mit Wählscheibe, wenn man denn eins hatte, und die Bakelit-Dinger konnte man von einem Zimmer ins andere tragen, wenn das Kabel lang genug war. Der BMW 1800 ti, der aus diesem Jahr stammt, war für Menschen, die bestimmt ein Telefon zu Hause hatten. Als Vorläufer der 5er-Reihe reden wir von der oberen Mittelklasse, auch wenn ein heutiger 1er-BMW nur einen Hauch kürzer ist.
Statt die Fernbedienung zu drücken, wenn nicht dank Transponders das bloße Herannahen reicht, hantiert man mit Schlüssel für Tür und Zündung, was die Galanterie ermöglicht, der Dame den Wagenschlag aufzuhalten; ist die Stimmung weniger feierlich, schnippt man halt von innen das Türstifterl auf. Das Raumgefühl ist luftig, kein Vergleich zu den vollgeräumten Cockpits von heute. Und man sieht beim Rangieren etwas, wenn man sich umdreht und in die Lücke zielt, das spielt es heute nicht mehr – Sensoren lotsen.
Toll, wie der BMW mit seinen 120 PS am Gas hängt, auch wenn man gern einen fünften Gang hätte. Zartgliedriges Volant! Guter Klang statt Sounddesign! Und wie konnte den Deutschen das Deutsch abhanden kommen: Kraftstoff, Zündung, Touren!
Was man sich nicht wünscht: Vollbremsung auf nasser Straße. Für ABS sind wir nämlich schon.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)