Wien: Das Elend mit den Parkplätzen

(c) Gabriele Paar
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Die Zahl der Autos in Wien ist konstant gestiegen, gleichzeitig wurden Parkplätze vernichtet. Das Parkpickerl kann die Probleme nicht lösen.

Wien. Leopold Bubak hat den derzeit undankbarsten Job der Stadt. Der Parkpickerlkoordinator der Stadt Wien muss im Auftrag von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou etwas umsetzen, wogegen die größte Protestlawine seit langen Jahren läuft. Nämlich die Ausweitung der Kurzparkzone auf mehrere Bezirke jenseits des Gürtels.

170.000 Unterschriften (einen Großteil sammelte die ÖVP) gibt es gegen diesen Plan. Die Stadtregierung kündigte daraufhin eine Volksbefragung an – allerdings erst nach Einführung der neuen „Pickerl“-Zonen und nur zu allgemeinen Verkehrsthemen. Über die Ausweitung selbst dürfen die Wiener also nicht abstimmen. Bubak verteidigte am Donnerstag diese Vorgangsweise: „Es besteht jetzt Handlungsbedarf.“ Die Erfahrungen mit den ausgeweiteten Parkpickerlzonen könnten dann in die Volksbefragung einfließen, so Bubak. Dadurch, meint er, sei für den Bürger eine objektivere Bewertung bei der Abstimmung möglich.

Als Fazit bleibt: Kaum ein anderes Thema ist derzeit emotional so aufgeladen wie das Parken in Wien. Das führt zur Frage: Warum gibt es in vielen Teilen von Wien nicht genug Parkplätze? Wo es keine Parkraumbewirtschaftung gebe, würden Pendler und bezirksfremde Wiener parken, so Bubak. 30Prozent der parkenden Autos würden dort nicht der Bezirksbevölkerung gehören. Betroffen seien vor allem Bezirke, in denen die Parkraumbewirtschaftung ausgeweitet werden soll. Also vom Gürtel westwärts.

384.000 Autopendler

Ein zentrales Problem zeigt die sogenannte Cordon-Erhebung der Planungsgemeinschaft Ost, in der Wien, Niederösterreich und das Burgenland vertreten sind. 384.000 Autos kommen täglich vom Umland nach Wien – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wiener Parkplatzsituation.

Das „Pickerl“ ist allerdings nicht der Segen, der bei der Einführung versprochen wurde. In zahlreichen Bezirken innerhalb des Gürtels finden Bewohner trotz Parkraumbewirtschaftung kaum einen Parkplatz. Die Josefstädter Bezirkschefin, Veronika Mickel, warnte kürzlich vor der Parkpickerlausweitung auf die angrenzenden Bezirke jenseits des Gürtels – weil dann rund 1000 Josefstädter Parkpickerlflüchtlinge zurückkehren würden. Für diese gebe es trotz Pickerls keine Parkplätze.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Laut Statistik Austria stieg die Zahl der in Wien zugelassenen Pkw seit 2002 von 647.382 deutlich auf 674.526. In anderen Worten: In Wien gibt es immer mehr Pkw, die entsprechenden (Park-)Platz benötigen. Neben den gestiegenen Pkw-Zahlen werden vor allem innerhalb des Gürtels serienweise Verkehrsberuhigungsmaßnahmen gesetzt – was zahlreiche Parkplätze vernichtet. So wie auch der Bau von immer mehr Radwegen, dazu kommen Flächen, die für das Abstellen von Fahrrädern reserviert werden. Unzählige Gehsteigvorziehungen kosten ebenfalls Platz. Auch gibt es seit einigen Jahren den Trend, Bauminseln auf Parkplatzflächen zu errichten. Gehsteige werden verbreitert, dadurch wird ebenfalls Parkraum reduziert. Durch diese Maßnahmen wurde der Effekt des „Pickerls“ massiv reduziert.

Gleichzeitig steht eine weitere Verschärfung bevor: Seit 1. Juli erhalten auch Unternehmer ein Parkpickerl. Geschätzte 45.000 Wiener Firmen bekommen bis zu vier Pickerln. Bubak befürchtet aber keine Auswirkungen: „Diese Fahrzeuge sind schon bisher in der Kurzparkzone gestanden – nur, dass sie Parkgebühren gezahlt haben.“

Die Stadt hat in den vergangenen Jahren kaum reagiert – erst seit Kurzem wird eingegriffen. In Mariahilf, Neubau und der Josefstadt läuft ein Pilotprojekt, mit dem zehn Prozent der Parkplätze des Bezirks nur für Bezirksbewohner reserviert sind. „Langfristig ist geplant, in jedem der Parkpickerlbezirke das Anrainerparken einzuführen“, sagt Bubak. Auch soll der Bau von Garagen forciert werden. Allerdings: Kaum tauchen Pläne für einen Standort auf, gibt es Widerstand. Eine dritte Maßnahme wurde bereits vor einigen Monaten umgesetzt: Die Parkgebühren wurden um fast 70Prozent erhöht – als „Anreiz“ zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr.

Park-and-ride-Ausbau stockt

Eine weitere Maßnahme, um die Pendlerströme auf öffentliche Verkehrsmittel umzulenken, ist der Ausbau der Park-and-ride-Anlagen – wie im rot-grünen Koalitionsabkommen vereinbart. Das Problem: Der Ausbau verläuft schleppend, viele Anlagen stehen fast leer. „Weil das Parken rund um viele der Anlagen gratis ist“, glaubt Bubak. Er fordert, dass die Kooperation mit Niederösterreich intensiviert wird, um die Pendlerströme rechtzeitig vor der Stadtgrenze mit Park-and-ride-Anlagen abzufangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)

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