Spanier rebellieren gegen Sparkurs

(c) REUTERS (ANDREA COMAS)
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Die Stimmung in der spanischen Bevölkerung kippt. Die Geduld mit der konservativen Regierung, die auf Sparen setzt, ist am Ende. Droht nun die Staatspleite?

Madrid. Die Empörung auf Spaniens Straßen gegen den harten Sparkurs wächst. Dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy weht der Wind immer heftiger ins Gesicht. Hunderttausende Menschen demonstrierten in vielen Städten Spaniens gegen die „brutale Aggression“ der Regierung. „Geht zum Teufel“, schrien die Demonstranten. In der Hauptstadt Madrid endete die Kundgebung in der Nacht auf Freitag mit Gewalt. Es war der bisher größte Proteststurm gegen die Regierung, welche mit ihrem Sparkurs, den sie ohne Dialog durchpeitschte, breite Schichten des Volkes gegen sich aufbrachte.

Zugleich wuchs die Sorge, dass die Stimmung völlig kippt. Und dass Spanien auch nach dem 100-Milliarden-Kredit des Euro-Rettungsschirms für wankende Banken die Luft ausgeht. An den Finanzmärkten vergrößerte sich Ende der Woche das Misstrauen gegenüber Spaniens Zahlungsfähigkeit: Die Zinsen für langfristige spanische Anleihen stiegen und lagen bereits über der kritischen Marke von sieben Prozent. Damit wird es für Spanien immer schwieriger, sich neues Geld zu leihen. Finanzminister Cristobal Montoro warnte, dass Spanien „kein Geld“ mehr habe und bald pleite sein könnte.

„Wir sind ausgebrannt“, skandierten derweil hunderte Feuerwehrleute, die in Madrid zusammen mit zehntausenden Demonstranten auf die Straße gingen. Mit Helm, Schläuchen und Leitern bewaffnet, zogen die Feuerwehrmänner durch die City. Sie besprühten die Plätze und Brunnen mit Löschschaum. Die Feuerwehrmannschaften gehören zu jenem Heer der Staatsangestellten, die am stärksten von den Kürzungen der Regierung betroffen sind: Den Staatsdienern wurde das Weihnachtsgeld gestrichen, nachdem sie bereits auf fünf Prozent Lohn verzichten mussten. Freie Stellen werden schon lange nicht mehr besetzt, die Regierung kündigte eine Entlassungswelle an.

In der Nähe des Parlaments, das zuvor mit absoluter Mehrheit der konservativen Regierungspartei und gegen die Stimmen der Opposition das Anti-Krisenpaket abgesegnet hatte, eskalierte die Lage. Die Feuerwehrmänner versuchten, Absperrgitter vor dem Parlament umzuwerfen, die Polizisten auf der anderen Seite verteidigten die Barrikaden. Müllcontainer brannten, die Feuerwehr weigerte sich zu löschen. Flaschen und Steine flogen, die Polizei schoss mit Tränengas und Gummikugeln. Die Schlacht am Parlament hinterließ fast 40 Verletzte, es gab 15 Festnahmen.

Drittes Sparpaket seit Jahresbeginn

Der „Tag des Zorns“ war von den beiden großen Gewerkschaften UGT und CCOO sowie einer breiten Plattform zur „Verteidigung des Sozialstaates“ ausgerufen worden – und sollte erst der Auftakt sein. Die Straßenopposition, zu der auch Spaniens junge Protestgeneration der „Empörten“ gehört, will der Regierung einen heißen Sommer und einen noch wilderen Herbst bereiten. Die Pläne für einen Generalstreik liegen schon in der Schublade, zudem wollen die Gewerkschaften eine „Volksabstimmung“ über den Sparkurs organisieren.

Das Sparpaket enthält Einsparungen bei den Staatsdienern sowie Kürzungen bei Arbeitslosenunterstützung, Pflegegeld, Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung. Die Mehrwertsteuer wird von 18 auf 21 Prozent erhöht – weitere Einschnitte werden erwartet. Es ist das dritte Sparprogramm seit Jahresbeginn: Bei Kindergärten, Schulen und Gesundheitsversorgung wurde der Sparstift angesetzt. Einkommens- und Unternehmenssteuern stiegen; Energie und Nahverkehr wurden erheblich teurer.

„Sie wollen das Land ruinieren“, lautete der Schlachtruf des Protesttages. Begleitet von Forderungen wie: „Helft nicht den Banken, sondern dem Volk.“ Der Erzbischof von Valencia warnte, man dürfe nicht weiter kürzen „ohne an die Armen zu denken“. Die Arbeitslosenquote in Spanien liegt schon bei rund 25 Prozent, die Armutsquote ebenfalls.

In einer Telefonkonferenz haben die Euro-Finanzminister indessen das Hilfspaket für Spaniens Banken fixiert. Wie Währungskommissar Olli Rehn nach dem Gespräch mitteilte, werde die bis zu 100 Milliarden Euro schwere Hilfe an eine „Restrukturierung der spanischen Banken“ geknüpft. Die Umsetzung der Reformen werde von Brüssel überwacht. Die spanischen Finanzinstitute müssten soweit reformiert werden, dass kein weiteres öffentliches Geld für deren Weiterbestehen notwendig werde, teilte Rehn in einer Aussendung mit.

Auf einen Blick

Die Proteste gegen das neuerliche Sparprogramm in Spanien sind in der Nacht auf Freitag eskaliert. Die Protestbewegung verspricht einen heißen Sommer, nachdem die konservative Regierung das mittlerweile dritte Sparpaket beschlossen hat. Indessen gaben die Euro-Finanzminister in einer Telefonkonferenz grünes Licht für eine 100-Milliarden-Euro-Spritze an spanische Banken. Die Hilfe wurde an strenge Auflagen zur Restrukturierung des gesamten Bankensektors geknüpft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2012)

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