Metamorphose einer Stadt: Linz baut um

LINZER PFLASTERSPEKTAKEL
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Neue und gute Lokale, neue und innovative Hotels, zeitgenössische, nachhaltige und sehenswerte Architektur, die Alt und Neu verbindet: Adieu, „Stahlstadt“! Servus, lebens- und sehenswertes Linz!

Linz. Wie keine andere österreichische Stadt hat sich die Kulturhauptstadt Europas 2009 in den letzten Jahren verändert. Sichtbar wird der Imagewandel vor allem durch seine zahlreichen Neu- und Umbauten, weshalb Linz das Jahr 2012 auch unter das Banner von Architektur und Technik gestellt hat. Markant und eigenwillig präsentieren sich die Kulturhäuser links und rechts neben der Donau: das Brucknerhaus, konzipiert in den 1970er-Jahren vom finnischen Architektenpaar Kajja und Heikki Siren, ebenso wie das Lentos Kunstmuseum, ein 130 Meter langer Glaskubus mit 8000 m2Fläche und einem 60 Meter langen Freiraum vor dem Haupteingang. Dessen Gebäudehülle erscheint je nach Lichtstimmung transparent, halb transparent oder grau; bei Dunkelheit ist sie mit kräftigen Farben beleuchtet und setzt einen markanten Lichtpunkt an der Donau.

Das Ars Electronica Center am Donauufer vis-à-vis ist ebenfalls mit Leuchtdioden versehen und bezaubert nächstens mit Licht. Im Inneren dieses „Museum of the Future“ werden wegweisende digitale Technologien im Spannungsfeld von Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft gezeigt.

Einen Steinwurf flussaufwärts liegt am rechten Donauufer der Schlossberg, wo seit 2009 der neue Südtrakt des Linzer Schlosses zeigt, wie ein Kulturbau alte und neue Substanz verbinden kann. Der gelegentlich als neues Wahrzeichen titulierte Zubau ermöglicht einen neuen und beeindruckenden Ausblick über die Altstadt von Linz. Überhaupt gelang es den Architekten und Bauherren in den vergangenen Jahren, einfallsreich mit der historischen Bausubstanz umzugehen.

Neues Essen, neues Schlafen

Auf zeitgemäße Art verbunden und ergänzt wurde etwa auch der Gebäudekomplex OÖ Kulturquartier, das unter anderem das Offene Kulturhaus (OK), eine Ausstellungs- und Produktionsstätte für zeitgenössische Kunst, und den altehrwürdigen Ursulinenhof umfasst. Das Gebäude des kaiserlichen Salzamtes aus dem 17. Jahrhundert, dem bereits der Verfall drohte, mutierte zu einem attraktiven Atelierhaus mit 200 m2 großem Ausstellungsbereich, neun Ateliers und fünf Künstlerwohnungen. Zu den kleinen Architekturjuwelen in der Altstadt gehört seit seiner sanften Adaption auch das Wohnhaus des Astronomen und Mathematikers Johannes Kepler. Hier hat sich nun endgültig der Kepler Salon als Ort für offene Begegnungen mit der Wissenschaft etabliert.

Auffallend sind Belebung und Vielfalt der Gastronomie mit zahlreichen neuen Gaststätten, auch der gehobenen Klasse. Zusammen mit innovativen Hotelprojekten will man den Besucher ködern. Es scheint zu funktionieren: Die Innenstadt ist belebt mit Touristen und Einheimischen, denn es gibt viel zu sehen und zu entdecken.

Das Hotel Spitz in Urfahr etwa will auch in Stil und Kultur eine geistige Verbindung zur Stadt herstellen: Jedes Stockwerk orientiert sich an einer anderen Linzer Kunst- und Kulturstätte – wie dem Ars Electronica Center, dem Brucknerhaus, dem Landestheater, der Kunstuniversität, dem Lentos Kunstmuseum, der Landesgalerie und dem Offenen Kulturhaus (OK). Architektonisch und auch künstlerisch umgesetzt wurde das Projekt in Rekordzeit von der jungen Linzer Architektin Isa Stein, deren Arbeiten Individualität und Design, aber auch Behaglichkeit und Bewohnbarkeit ausstrahlen.

Scheinbare Gegensätze vereinen sich in ruhiger Eintracht auch am Domplatz: Dem neugotischen Mariendom wurde der Solitär eines Viersternehotels zugesellt, dessen Betonskelett mit der markanten Fassadenstruktur des Doms korrespondiert. Von dort hat man beste Aussicht auf den neu gestalteten Domplatz, der immer öfter als Konzertfreiluftarena genutzt wird – wie kürzlich von José Carreras. Auch an der Peripherie tut sich einiges: Auf dem Gelände der Johannes-Kepler-Universität im Linzer Norden entsteht derzeit der Science Park, das größte Hochbauprojekt der nächsten Jahre. Im Süden kann man im neuen Besucherzentrum Voestalpine Stahlwelt – mit der Fassade aus einer stahlblechverkleideten Glaskonstruktion der Linzer Architekten Schremmer & Jell – das Traditionsunternehmen von innen kennenlernen.

Power Tower und Tabakwerke

Doch kein anderer Stadtteil veränderte so sehr sein Erscheinungsbild wie das Bahnhofsviertel. Im Zentrum stehen hier der schon zum wiederholten Mal zum schönsten Bahnhof Österreichs gekürte Linzer Hauptbahnhof sowie der wuchtige Bau des Terminal Tower, beide von Wilhelm Holzbauer. Hundert Meter weiter glänzt die transparente Glasfassade des elliptischenWissensturmes, in dem Stadtbibliothek, Volkshochschule und Medienwerkstatt untergebracht sind.

Ebenso prägen dieses Areal das großzügig angelegte Landesdienstleistungszentrum und der 74 Meter hohe Power Tower. Letzterer ist als neue Konzernzentrale der Energie AG das weltweit erste Bürohochhaus in Passivbauweise. In solcher entsteht auch gerade der Neubau der Anton Bruckner Privatuniversität am Fuße des Pöstlingbergs.

Zu den wichtigsten architektonischen Zeugnissen des frühen 20.Jahrhunderts in Linz zählen die Tabakwerke an der Unteren Donaulände. Nach der Schließung der Produktionsstätte 2009 wurde das denkmalgeschützte Ensemble von der Stadt Linz angekauft. Wie das riesige Areal langfristig genutzt wird, ist noch unklar. Die im Juni eröffnete Ausstellung „Porsche – Design, Mythos, Innovation“, die den Entwicklungsweg des Unternehmens Porsche detailliert nachzeichnet, bietet jedenfalls ein einzigartiges Ambiente dafür: Mit Archivfilmen, einem Sound-Experience-Parcours und raren Ausstellungsstücken wird der Entwicklungsweg von Porsche gezeigt. Zu sehen sind wahre Schmuckstücke, wie der Elektrowagen System Lohner-Porsche von 1900, der siegreiche Auto-Union-Rennwagen aus den 1930er-Jahren oder aus der jüngsten Zeit der 911er GT3 Hybrid, von dem es nur drei Stück gibt. Schwerpunkttage mit Zeitzeugen und Rennfahrern verleihen der Ausstellung zusätzliche Rasanz und faszinieren nicht nur Auto- und Porsche-Freaks.

Buchstäblich alles in den Schatten stellt jedoch das neue Musiktheater am Linzer Volksgarten. Der fünfgeschoßige Baukörper des Londoner Architekten Terry Pawson ist derzeit der größte Kulturbauplatz Österreichs.

Eine Traventin-Fassade umgibt das ab April 2013 modernste Musiktheater Europas wie ein riesiger Bühnenvorhang. Multimediale Inszenierungen aus Oper, Tanz, Theater und Musical sollen Besucher aus ganz Oberösterreich und darüber hinaus anlocken. Das Haus auch auszulasten wird wohl zur Herkulesaufgabe.

Ob das denn mit der Fertigstellung klappe bis zum April 2013, fragt ein Deutscher bei der Baustellenbesichtigung. Doch an der Donau zweifelt niemand an der oberösterreichischen Pünktlichkeit, außerdem steht der Spielplan bereits fest: Eröffnung ist am 13. April 2013 mit der Premiere des Musicals „Die Hexen von Eastwick“.

ArchitekTouren in Linz

Infos: Tourismusverband Linz, Adalbert-Stifter-Platz 2, 4020 Linz, 0732/7070 oder Tourist Information Linz, Altes Rathaus, Hauptplatz 1; 0732/7070-2009, Mo –Sa 9–19 Uhr, So/Fei 10–19 Uhr
www.linz.at/tourismus
www.linz-tourismus.info

Anschauen:
www.porsche-ausstellung.at
www.musiktheater-linz.at
www.landesmuseum.at
www.hotelamdomplatz.at
www.spitzhotel.at
www.aec.at
www.linz.at/tourismus/wikitude

ArchitekTOUREN von und für Architekten und Interessierte: www.afo.at/guide [Linz Tourismus]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2012)

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