Der Massenmord zur „Batman“-Premiere lässt die USA nicht wirklich übers Waffengesetz nachdenken. Nur der Wahlkampf pausiert kurz.
Colorado. 250 Millionen Schusswaffen sind in den USA ganz legal im Umlauf. Mehr als in jedem anderen Land. Doch man muss kein Prophet sein, um schon jetzt zu wissen, dass nach dem jüngsten Amoklauf zur „Batman“-Filmpremiere in Aurora, Colorado, an den liberalen US-Waffengesetzen nicht ernsthaft gerüttelt wird. Dabei konnte der 24-jährige Amokschütze über das Internet ganz legal so viel Munition kaufen – 6000 Schuss –, dass er damit eine kleine Armee hätte ausrüsten können. Aus einer seiner Waffen konnte er 60 Schuss in der Minute abfeuern – jede Sekunde einen.
Rührt das Schicksal der 25-jährigen Jessica Ghawi die Öffentlichkeit länger als nur ein paar Tage? Die junge Frau ist eine der zwölf Menschen, die im Kugelhagel sofort umkamen. Vor sechs Wochen erst war Jessica in Toronto bei einer Schießerei dem Tod entkommen: Sie hatte ein Fast-Food-Lokal im Eaton Center verlassen, weil ihr unwohl geworden war. Vielleicht eine Vorahnung? Sie setzte sich draußen hin – und drinnen eröffnete ein junger Mann das Feuer auf Gangrivalen. Zwei Menschen starben – eines der Opfer saß dort, wo Jessica zuvor gesessen war. Als angehende Reporterin schrieb sie danach in einem Blog: „Mir wurde gezeigt, wie zerbrechlich das Leben ist.“
Unklar war bis gestern, was den Amokläufer von Aurora dazu bewog, in der Nacht auf Freitag bei der „Batman“-Filmpremiere maskiert und schwer bewaffnet die Leben anderer zu zerbrechen. Der 24-jährige James Holmes, Student der Neurowissenschaften, ist für die Polizei ein unbeschriebenes Blatt. Und er schweigt nach seiner Festnahme beharrlich. Will nicht sagen, warum und vor allem wie er seine Wohnung vermint hat. Sprengstoffexperten konnten auch gestern noch nicht ins Apartment eindringen. Vier umliegende Häuser mussten wegen der Explosionsgefahr geräumt werden.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg ruft dazu auf, die Waffengesetze endlich zu verschärfen. Ob er wohl gehört wird? Einstweilen pausiert nur der Präsidentschaftswahlkampf. Präsident Barack Obama ist „schockiert“, und sein republikanischer Kontrahent, Mitt Romney, zeigt sich „tieftraurig über die sinnlose Bluttat“. st
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2012)