E-Control-Chef Boltz für Stopp der Energiewende

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Der Ausbau der Windenergie in der Nordsee sei „reine Geldverschwendung“, sagt E-Control-Chef Boltz im Gespräch mit der "Presse". Er warnt vor höheren Preisen, instabilen Netzen und mehr Staatseingriff.

Wien. „Eigentlich ist es unverantwortlich“, sagt Walter Boltz. „Das endet direkt in einer Katastrophe.“ Was den heimischen Energieregulator so in Rage bringt, ist die wohl wichtigste Nebenfront der deutschen Regierung abseits der Eurokrise – die Energiewende.

Bekanntlich hat Berlin nach dem Desaster von Fukushima beschlossen, seine Atomkraftwerke bis 2022 überwiegend durch Windräder und Solaranlagen zu ersetzen. Ganz so einfach, wie sich die Politiker die grüne Revolution damals vorgestellt haben, ist es aber nicht. Der Umbau stockt, es fehlen Leitungen, auch die Stromnetze vieler Nachbarländer sind an der Grenze der Belastbarkeit – und billig ist die ganze Aktion auch nicht.

Ein Viertel höhere Preise

„Wir sind komplett überhastet in ein Experiment hineingelaufen“, moniert Boltz. Die Offshore-Windkraft, für Deutschland der Schlüssel zur Energiewende, sieht er als „reine Geldverschwendung“. Es habe wenig Sinn, hunderte Windräder in die Nordsee zu stellen, wenn es keine Leitungen gebe, um den Strom zu den Verbrauchern zu bringen. Tatsächlich hat Deutschland nicht damit gerechnet, dass seine Bürger zwar grünen Strom aus der Steckdose möchten, aber keine Leitungen oder Kraftwerke sehen wollen.

Solange nicht ausreichend Leitungen gebaut seien und besser mit den Nachbarländern kooperiert würde, wäre es besser, „die Energiewende zu stoppen“, sagt der Regulator und warnt andernfalls vor großen Problemen: einerseits vor höhere Kosten, die sich über den Großhandelspreis auch in Österreich auswirken würden – bis zu einem Viertel höhere Preise seien denkbar. Andererseits bringe die schwankende Erzeugung der Ökostromanlagen die Sicherheit der Netze in Gefahr. Österreich sei zwar nicht so gefährdet wie etwa Polen. Garantieren, dass ein Ausfall in Deutschland Österreich nicht tangiere, könne aber niemand.

Überförderung schafft Probleme

Der Physiker ist nicht der Einzige, der mittlerweile auf Distanz zur Energiewende geht. Selbst der deutsche Umweltminister Peter Altmaier (CDU) zweifelte kürzlich an der Realisierung des Großprojekts. Er wurde zwar freilich prompt von seiner Kanzlerin und Parteikollegin Angela Merkel zurückgepfiffen. „Der Atomausstieg ist beschlossen und unumkehrbar“, ließ sie ausrichten. Aber auch Merkel kommt nicht umhin, sich mit der unangenehmen Folge der Energiewende zu befassen – mit dem Preis.

Über zwanzig Milliarden Euro dürfte der Umbau die deutschen Verbraucher im Jahr 2020 kosten, schätzt McKinsey. Und es könnte noch deutlich mehr werden. Denn auch wenn sich die Offshore-Windräder mangels Netzanschluss umsonst drehen – gratis drehen sie sich nicht. Ökostromproduzenten haben das Recht, dass ihnen der Strom abgenommen wird. Derzeit wird verhandelt, wer für den nicht gelieferten Strom zahlen soll. Gut möglich, dass es der Steuerzahler sein wird.

Der Systemfehler sorgt noch für ein weiteres Dilemma: Da Ökostrom immer mit Vorrang ins Netz eingespeist werden muss, laufen Gaskraftwerke nur noch halb so oft wie früher – und werden unrentabel. Da die thermischen Anlagen aber einspringen müssen, wenn dem Wettergott nicht nach Energieproduktion ist, rufen Unternehmen nach staatlichen Beihilfen dafür, dass sie Gaskraftwerke bauen.

Für Boltz sind diese sogenannten „Kapazitätsmärkte“ ein Unding. „Der Versuch, ein Problem, das wir durch Überförderung verursacht haben, mit mehr Förderung zu lösen, endet in der Sackgasse.“ Er baut darauf, dass Firmen auch dann Gaskraftwerke bauen, wenn es sich vordergründig nicht rechne. „Nach der reinen Lehre dürfte es Mellach nicht geben“, sagt er über das steirische Verbund-Kraftwerk, das derzeit kaum in Betrieb ist.

Statt neuerlich zu fördern, müsse einfach ein anderer Fehler behoben werden: Die Preise an den Strombörsen sind – auf politischen Wunsch – nach oben hin gedeckelt. Egal, wie groß der Engpass auch ist, er schlägt nie voll auf den Strompreis durch. Genau davon könnten die Gaskraftwerke aber leben – ganz ohne Förderung.

Auf einen Blick

Walter Boltz ist Vorstand des heimischen Energieregulators E-Control. Er warnt vor den Folgen einer unkoordinierten Energiewende und plädiert für einen Stopp des Projekts, solange nicht ausreichend Leitungen gebaut seien.

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