Die Omertà ist endlich gebrochen

Wenn dieses Land einen Rest an Glaubwürdigkeit wahren will, dann gibt es sofortige Neuwahlen in Kärnten und eine schonungslose Anti-Korruptionsinitiative.

Die Omertà ist gebrochen. Seit der Villacher Steuerberater Birnbacher und der Kärntner Ex-ÖVP-Chef Martinz „gesungen" haben, ist zumindest für Kärnten sozusagen „amtlich" klar, was (außer für die Staatsanwaltschaft Klagenfurt) ohnehin für jeden, der mit offenen Augen durch die politische Welt geht, evident war: Im Land mit einer der höchsten offiziellen Parteienförderungen Europas haben die staatstragenden und auch die weniger staatstragenden Parteien Strukturen geschaffen, um das Land zum eigenen Vorteil zusätzlich auszuplündern.

Besonders krass und unverschämt ist das offenbar dort passiert, wo die Kombination Schwarz-Blau bzw. Orange (so einfach sind die diversen, von Haider hinterlassenen FPÖ-Derivate im historischen Rückblick ja nicht auseinanderzudividieren) mit am Ruder war.

Womit wir bei Kärnten sind: Wir reden hier von einem wunderschönen Land, in dem die Dichte an unschuldsvermuteten Politikern unterdessen so hoch ist, dass die Landesregierung im Vorzimmer des Staatsanwalts Mehrheitsbeschlüsse zustande brächte. Und das über einen ersten Landeshauptmannstellvertreter verfügt, dessen beeindruckender „record" unter anderem einen ungarischen Haftbefehl wegen Versicherungsbetrugs (das Verfahren wurde später in Österreich eingestellt, mit der Versicherung wurde ein Vergleich erzielt), zwei nicht rechtskräftige Verurteilungen wegen Geschenkannahme durch Amtsträger und neuerdings auch massive Korruptionsbeschuldigungen (es gilt in allen Fällen klarerweise die Unschuldsvermutung) aufweist. Und der trotzdem wie mit Pattex angeklebt auf seinem Regierungssessel sitzen bleibt.
Wer jetzt „Bananenrepublik" ruft, sollte bedenken: Im Land wachsen keine Bananen. Und echte Bananenrepubliken haben sich diesen Vergleich wirklich nicht verdient.

Jetzt, mehrere Stunden nach dem Geständnis von Birnbacher und Martinz, gibt es zwar einen Rücktritt des involvierten ÖVP-Chefs. Aber der FPK fällt noch nicht viel ein. Das Geständnis, mit ihr sei eine Drittelbeteiligung ausgemacht worden und die derzeitigen Regierungsmitglieder Dobernig und Scheuch hätten bei Birnbacher Geld eingefordert, reicht bei den beiden gerade für ein schwaches Dementi der Marke, man wolle „die FPK anpatzen". Vielleicht greift da ja der Landeshauptmann, der sonst immer den Saubermann heraushängen lässt, ein? Ups: Der war ja Parteikassier.

Im Ernst: Wenn dieses Land einen minimalen Rest an politischer Glaubwürdigkeit wahren will, dann kann es wohl nur sofortige Neuwahlen in Kärnten geben. Und danach könnten die Bundesparteien einmal beweisen, dass sie es mit Transparenz und Sauberkeit wirklich ernst meinen. Denn die Aussage, man habe sich Know-how „beim Doktor Strasser" geholt, weist ja wohl darauf hin, dass dieses „System Haider", wie der massive Korruptionssumpf verharmlosend genannt wird, nicht auf Kärnten beschränkt war und wohl auch nicht mit Haider geendet hat. Auch in der Buwog-Affäre gibt es ja Zeugenaussagen, die von einem „Plan" zur illegalen „Beteiligung" an Privatisierungserlösen zu wissen glauben.

Ja, und die Staatsanwaltschaft gehört wohl auch reorganisiert. Die Penetranz, mit der die staatlichen Ankläger in Kärnten weggeschaut haben (der Fall Birnbacher wurde zweimal eingestellt), ist ebenso schwer zu ertragen wie die passive Resistenz, mit der etwa Fälle wie jener der Buwog-Privatisierung abgehandelt werden.
Es ist zu wenig, wenn der „zutiefst enttäuschte" ÖVP-Chef Michael Spindelegger meint, er dulde solches Verhalten nicht. Dieses Land braucht einen Neustart. Voraussetzung dafür ist eine schonungslose Aufarbeitung aller mutmaßlichen Korruptionssümpfe bis hin zu diversen Inseratenaffären.

Angesichts der eingerissenen Unsitten ist es ja eher fraglich, ob die Regierungsparteien das schaffen. Aber dass ausgerechnet die FPÖ, deren Proponenten sich ab der Wende 2000 an Futtertrögen besonders ungeniert aufgeführt haben, vom Aufbrechen des Korruptionssumpfes profitieren sollte - das wäre wohl ein Treppenwitz der Geschichte.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.