Osteuropa: Polen wird zum sicheren Hafen

(c) AP (ALIK KEPLICZ)
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Auf der Suche nach einem sicheren Ort für ihr Geld werden immer mehr Investoren in Polen fündig. Das Land lockt mit stabilem Wachstum und niedrigen Schulden.

Wien/Weber. Auf der Suche nach einem Ort, wo sie ihr Geld vorübergehend sicher parken können, haben Investoren ein neues Ziel entdeckt: Polen. Während die Zinsen für spanische Staatsanleihen in immer beunruhigendere Höhen klettern, marschieren jene für kurzfristige polnische Papiere weiter in Richtung null. Vor allem stürzen sich Anleger auf Anleihen, die in Euro ausgegeben wurden. Mit ihnen nehmen sie nämlich nicht das Risiko auf sich, dass der Zloty in der Zwischenzeit nachgibt und sie auf einem Währungsverlust sitzenbleiben.

Eine polnische Euroanleihe, die im Februar 2013 ausläuft, wirft aktuell nur mehr 0,2 Prozent ab. Anfang der Woche lagen die Zinsen kurzfristig bei 0,12 Prozent. Spanien musste Anlegern bei einer Auktion zuletzt 3,24 Prozent für eine Laufzeit von sechs Monaten bieten. In Italien waren es bei einer Auktion im Mai 2,1 Prozent.

Die Investoren lockt in erster Linie die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass Polen seine Schulden in einem halben Jahr wieder begleichen wird. In Deutschland, aber auch in Österreich müssen sie dafür schon länger „Gebühren“ in Form von negativen Zinsen zahlen. Und in Spanien und Italien könnte ein turbulentes Halbjahr bevorstehen. Da erscheint ihnen Polen mit seiner Schuldenquote von 56 Prozent des BIPs geradezu als „sicherer Hafen“.

Anerkennung von Moody's

Auch die Ratingagentur Moody's lobte die polnische Wirtschaft zuletzt und stufte die kurzfristige Bonität des Landes, die alle Schulden mit einer Laufzeit von bis zu 13Monaten umfasst, auf die oberste Stufe („Prime-1“) hinauf. Grund dafür seien die seit 2008 steigenden Geldreserven des Landes, hieß es im März in einer Mitteilung. Anerkennend wurde auch festgestellt, dass die Budgetkonsolidierung ein „Schlüsselmotiv“ der Regierung sei. So soll das Budgetdefizit heuer von 5,1 auf unter drei Prozent gedrückt werden.

Von der Schuldenkrise ist das Land bislang mehr oder minder verschont geblieben. „Einerseits gibt es eine robuste Inlandsnachfrage, andererseits sind die Exporte nach Deutschland weiterhin ziemlich stark“, erklärt Wolfgang Ernst von Raiffeisen Research. Grundsätzlich sei man deshalb optimistisch für die polnische Wirtschaft. 2012 erwarten die Experten ein Wachstum von 2,8Prozent, 2013 eines von 3,3Prozent.

Bei diesen Aussichten wundert es kaum, dass auch die Zinsen für langfristige Anleihen nach unten wandern. Zehnjährige Papiere aus Polen, die auf der Landeswährung Zloty lauten, werfen rund fünf Prozent ab. Anfang 2011 waren es noch mehr als sechs Prozent. Deutlich teurer, also niedriger verzinst, sind Euroanleihen aus Polen. Diese werfen aktuell 3,24Prozent ab, nicht viel mehr als Anleihen aus den Euro-Mitgliedsländern Belgien und Slowakei. Die Zinsen für Euroanleihen spiegeln deutlich wider, wie hoch die Anleger das Risiko einschätzen, ihr Geld nicht wiederzusehen. Die Rendite für Zloty-Anleihen beinhaltet zudem noch das Währungsrisiko. Etwa 60Prozent der Staatsverschuldung dürfte in Lokalwährung aufgenommen worden sein.

Zloty zieht in Gegenrichtung

Die Landeswährung litt im ersten Halbjahr auch stärker unter der Risikoaversion der Anleger. Während man für einen Euro zu Beginn noch 4,15Zloty bekam, waren es im zweiten Quartal schon bis zu 4,45. Seither hat sich die Währung wieder etwas gefestigt. An den Kursschwankungen sei die Nervosität der Anleger aber noch klar zu erkennen, meint Ernst.

Früher wären von der Flucht aus riskanten Geldanlagen auch die polnischen Staatsanleihen betroffen gewesen. Doch in einem Umfeld, in dem zumindest in der Eurozone fast nur zwischen Mini-Zinsen und hohem Risiko gewählt werden kann, seien die Investoren auf der Suche nach Alternativen, sagt Anton Hauser, Fondsmanager für osteuropäische Anleihen bei der Erste Sparinvest. Und die Fundamentaldaten schauten in Polen „sehr, sehr gut aus“. Eine ähnliche Entwicklung sehe man derzeit in Tschechien, weil die Wirtschaftsdaten dort eine ebenso deutliche Sprache sprächen wie in Polen.

Auf einen Blick

Polnische Staatsanleihen werden bei Anlegern immer beliebter. Vor allem kurzfristig wird das Geld gerne dort geparkt. Das Land verfügt über solide Wachstumszahlen, denn die Schuldenkrise hat Polen bisher nicht so hart getroffen. Auch der Willen der Regierung, die Staatsverschuldung einzubremsen, freut die Anleger. So soll die Neuverschuldung heuer auf unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung sinken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2012)

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