Neuer Rettungsplan soll Transferunion verhindern

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Die drohende Abwertung des Euro-Rettungsschirms EFSF und neue Sorgen um Spanien bringen Dynamik in das Krisenmanagement. Experten treten für eine Kombination zahlreicher Maßnahmen ein.

Wien/Brüssel. „Europa bewegt sich schlafwandelnd auf eine Katastrophe unabsehbaren Ausmaßes zu.“ Mit dieser Warnung drängen 17 der bekanntesten europäischen Wirtschaftswissenschaftler auf einen neuen Rettungsplan für den Euro. Sie begründen ihren Vorstoß, der über das Institut for New Economic Thinking diese Woche veröffentlicht wurde, mit der verschlechterten Lage in Spanien und einem möglichen Übergreifen der Krise auf Italien.

Nachdem am Mittwoch noch der Euro-Rettungsschirm EFSF von der Ratingagentur Moody's mit einem negativen Ausblick bewertet wurde, sucht auch die Europäische Zentralbank nach Optionen, die bisher als Tabu galten. Österreichs Ratsmitglied in der EZB, Ewald Nowotny, deutete an, dass der neue Euro-Rettungsschirm ESM nun doch eine Banklizenz erhalten könnte. Damit könnte er direkt von der EZB mit Finanzmitteln gespeist werden. Er bekäme fast unbegrenzte Feuerkraft mit der Gefahr, dass bei exzessiver Nutzung der Geldwert sinkt.

Dieser Vorschlag ist auch Teil des Papiers der 17 Wirtschaftswissenschaftler, unter ihnen die beiden deutschen Wirtschaftsweisen Lars Feld und Peter Bofinger sowie Lucrezia Reichlin und Hélène Rey von der London Business School. Sie argumentieren, dass die Krise ohne eine vorübergehende gemeinsame Lastenteilung der Euroländer nicht lösbar sei. Allerdings müsse es Ziel sein, eine nachhaltige Vergemeinschaftung von Schulden zu verhindern. „Eine permanente Transferunion ist ein zu hoher Preis für das Erhalten der Gemeinschaftswährung“, heißt es in dem Papier, das der „Presse“ vorliegt. Ausdrücklich wird die Ausgabe von Eurobonds und eine völlige Vergemeinschaftung der Haushaltspolitik in einer Fiskalunion abgelehnt. Es gebe allerdings etwa bei der Bankenunion einen minimalen Anpassungsbedarf bei gemeinsamen europäischen Institutionen, heißt es.

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Schicksalsspirale durchbrechen

Die Experten treten für eine Kombination zahlreicher Maßnahmen ein, die mit einer Entflechtung der finanziellen Probleme von Banken und öffentlichen Haushalten beginnen müsse. Sie fordern unter anderem eine gemeinsame europäische Einlagenversicherung, wie sie bereits auch die EU-Kommission vorgeschlagen hat.

Um den überschuldeten Ländern nachhaltig zu helfen und die Schicksalsspirale aus Rezession, explodierenden Schulden und steigender Arbeitslosigkeit zu durchbrechen, müssten sie durch den Rettungsschirm und in letzter Konsequenz durch die EZB ausreichend gestützt werden. Dies läuft auf eine Ausweitung der Hilfe für die angeschlagenen Länder über die Erhöhung der Geldmenge hinaus. Ein Modell, das derzeit von den USA praktiziert wird. Außerordentliche Maßnahmen wie diese sollten etwa fünf Jahre anhalten, um das Wirtschaftswachstum zu stützen. Auch danach müssten aber die außergewöhnlichen Bemühungen zur Budgetkonsolidierung in Ländern wie Italien anhalten.

Ausdrücklich verweisen die Wirtschaftsexperten darauf, dass es darum gehe, die politischen und sozialen Spannungen aufzulösen. Diese gibt es derzeit sowohl in jenen Ländern, die harte Sparprogramme umsetzen müssen, als auch in jenen, deren Bevölkerung zu keiner weiteren Solidaritätsleistung bereit ist.

Ja zu Schuldentilgungsfonds

Um die Schulden in allen Euroländern in den Griff zu bekommen, greifen die 17 Experten die Idee des deutschen Sachverständigenrats auf, der die Gründung eines Schuldentilgungsfonds gefordert hat. Dabei sollen alle Schulden, die über 60 Prozent des BIPs liegen, in einen gemeinsamen Fonds überführt werden. Im Gegenzug zur Verpflichtung, die Schulden zu senken, sollen die Teilnehmerländer von niedrigeren Zinsen profitieren dürfen. Dies würde vor allem für Problemländer wie Italien die Schuldentilgung erleichtern. Der Vorschlag sieht vor, dass jedes Land für seinen Teil am Fonds selbst haftet (etwa durch Goldreserven), es würde also zu keiner Vergemeinschaftung der Haftungen kommen. Der Schuldentilgungsfonds hätte allerdings für Länder wie Österreich oder Deutschland den Nachteil, dass für sie die Zinsen zur Staatsfinanzierung geringfügig steigen würden.

Um die Zinsen niedrig zu halten, sollen sich am Schuldentilgungsfonds nur Länder beteiligen dürfen, die keine Akuthilfe durch den Euro-Rettungsschirm erhalten. Erst wenn Länder wie Griechenland oder Portugal wieder einen Teil ihrer Schulden über die Finanzmärkte finanzieren können, sollen sie die Vorteile dieser Konstruktion nutzen dürfen.

Auf einen Blick

Rettungsplan. 17 Wirtschaftsexperten haben einen neuen Rettungsplan für den Euro entworfen. Sie treten dafür ein, dass rasch eine Bankenunion realisiert wird, die Europäische Zentralbank stärker als bisher die überschuldeten Länder finanziert und ein Schuldentilgungsfonds für die restlichen Euroländer geschaffen wird. Die außergewöhnlichen Maßnahmen sollen nach fünf Jahren beendet werden. Dem Gremium gehören Experten aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien und Spanien an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2012)

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