Kärnten, die Hysterie und die Kindesweglegung

Zur Trockenlegung der Kärntner Sümpfe braucht man keine Notmaßnahme der Regierung, sondern eine ernsthafte Justiz und (partei-)politische Konsequenzen.

Peter Westenthaler, Paradefall für die absurde bis eigenwillige Personalrekrutierung Jörg Haiders, lieferte am Mittwoch die Wortmeldung des Tages. Er verteidigte seinen alten Mentor gegen „unbewiesene Unterstellungen“: „Das ist eine ganz miese Polithatz gegen Haider, der sich selbst nicht mehr wehren kann. Dreieinhalb Jahre nach seinem Tod putzen sich nun einige ihre schmutzigen Schuhe an Haider ab, nur, um von sich selbst abzulenken.“

Das ist putzig. Dass Jörg Haider sich und seinen Operettenhofstaat nur mittels eines zutiefst korrupten Systems finanzieren und aufrechterhalten konnte, ist de facto bewiesen. Und dennoch hat Westenthaler in einem Punkt recht: Die Versuche des abgetretenen ÖVP-Chefs Josef Martinz und der FPÖ Kärnten, dem verstorbenen Jörg Haider die gesamte Schuld zuzuschieben, sind so durchsichtig wie lächerlich. Alle Kärntner Politiker haben von dem System an illegaler Parteienfinanzierung und teilweiser persönlicher Bereicherung gewusst.

Die Spitzenleute der beiden Regierungsparteien dürften davon vermutlich – persönlich oder zumindest machtpolitisch – profitiert haben, allen voran Uwe Scheuch, in anderer Affäre in erster Instanz schon zu sieben Monaten bedingt verurteilt, und der amtierende Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Der spricht wiederum von „Menschenhatz“ gegen die Seinen und beweist, dass ihm jeglicher Sinn für die Realität abhandengekommen ist.

Die Reaktionen auf den Kärntner Dammbruch gleiten generell ins Hysterische ab. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter kann sich vorstellen, dass der Kärntner Landtag auf Antrag der Bundesregierung aufgelöst werde, wenn sich die örtlichen Freiheitlichen weiter weigern, Neuwahlen zuzustimmen. Diese Möglichkeit wurde in der Zweiten Republik noch nie angewandt – es handelt sich um einen Gesetzesparagrafen für einen staatspolitischen Notfall und würde eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat sowie den Sanktus des Bundespräsidenten voraussetzen. So wichtig ist Kärnten nicht. Wenigstens ist Josef Ostermayer, Staatssekretär im Kanzleramt, nüchtern genug, dies festzuhalten.

Die Kärntner Sumpflandschaften werden aber die Politik der Republik noch lange beschäftigen. Nur die völlige Trockenlegung mittels ernsthaft an Aufklärung interessierter Staatsanwaltschaft könnte jenes Vertrauen in die Justiz herstellen, über das heute, Freitag, die zuständige Ministerin Beatrix Karl bei einer Pressekonferenz plaudern will. Sie wird sich damit schwertun, so viel steht fest.

Dann wären da die politischen Implikationen: Schwarz-Blau, mögliche Alternative zur aktuellen Dauerkoalition oder zur in jeder Hinsicht akademischen Variante Rot-Grün, wurde dank der korrupten Kärntner wieder unwahrscheinlicher: Immer wenn in den vergangenen Jahren die Parteien zusammenarbeiteten, blieben nicht Reformen, sondern Affären im Gedächtnis haften. Dass heißt übrigens nicht, dass derlei Fälle in SPÖ-geführten oder anderen ÖVP-geführten Ländern nicht passieren würden. Sie dürften nur bis zum Schluss besser verschleiert worden sein oder aber – wie im Roten Wien – mittels Inseraten, Zuwendungen und Freundlichkeiten von und für eigene(n) Verlage(n) und befreundete(n) Medien – besser und unauffälliger organisiert sein.

Hat die ÖVP dank des rot-grünen Parkpickerls in Wien und Einsatzes der Präsenzdiener bei der Unwetterkatastrophe in der Steiermark wieder emotionale Themen gefunden, muss Michael Spindelegger nun schon wieder erklären, warum ausgerechnet in der Partei für Leistungsträger so viele in die eigene Tasche und/oder in die Parteikasse arbeiteten. Spindelegger, selbst integer, wird das Thema nicht mehr los.

Das Gleiche gilt für Heinz-Christian Strache, der Scheuch und Dörfler eine Rückkehr in die FPÖ-Familie ermöglicht hat und zu lange in führender Parteifunktion der orange-blauen Truppe war, um nicht über die Finanzierung der Haider-Welt Bescheid zu wissen. Der FPÖ-Chef geht natürlich auf Tauchstation und hofft, dass einmal mehr alles an ihm abprallt. Die Versöhnung mit den Kärntnern um Scheuch war Heinz-Christian Straches größter politischer Fehler. Zieht er keine Konsequenzen, beweist er: Entweder es fehlt ihm der Instinkt – oder das Rechtsgefühl. Oder beides.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2012)

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