Farm der Tiere auf Chinesisch

Der gestürzte Volkstribun Bo war nicht der einzige Nutznießer des KP-Regimes.

Eine der wohl besten Beschreibungen der korrosiven Wirkung uneingeschränkter Macht auf ihre Ausübenden findet sich auf den letzten Seiten von George Orwells Roman „Farm der Tiere“: Da beobachten jene Nutztiere, die zu Beginn der Novelle das Joch der menschlichen Knechtschaft abschütteln konnten, wie ihre einstigen Mitstreiter und nunmehrigen Herrscher, die Schweine, gemeinsam mit den Farmernachbarn ein Bankett feiern. Und sie können nicht mehr unterscheiden, wer von den anwesenden Bonzen Mensch und wer Tier ist.

Dass Macht korrumpiert, ist eine Binsenweisheit, die sich regelmäßig verifizieren lässt. Besonders viel Anschauungsmaterial liefert in dieser Hinsicht China, wo momentan mit dem kommunistischen Volkstribun Bo Xilai und seiner Ehefrau Gu Kailai abgerechnet wird. Es geht dabei um Mord, um Geld, um Korruption – aber vor allem geht es um einen Machtkampf auf Leben und Tod innerhalb der KP.

Denn eines darf man in der Saga vom Aufstieg und Fall des Bo Xilai nicht vergessen: Er ist beileibe nicht der einzige Nutznießer des „Sozialismus chinesischer Prägung“. Unter den Mitgliedern des roten Adels gibt es wohl keinen Einzigen, der nicht persönlich von der Herrschaft der Partei profitiert hätte – und das auf Kosten der Beherrschten.

Daran sollten jene denken, die aus sicherer Entfernung von der Dynamik des chinesischen Wirtschaftsmodells schwärmen: Es ist leicht, große Würfe zu machen, wenn man nicht darauf achten muss, wo das Hingeworfene auch landet.

michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2012)

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