Wieder steigt der Druck zu einer Einzelaktion. Aber zur Bewältigung der Krise braucht es einen umfassenden Ansatz.
Eine schmerzliche Wahrheit ist besser als die Lüge“, schrieb einst Thomas Mann. Das Zitat könnte kaum besser die heutige Krise in Europa beschreiben, in der sich niemand traut, all die unangenehmen Reformen anzusprechen, die zur Bewältigung notwendig wären. Lieber werden immer neue kleine Lügen verbreitet, die Eurozone könnte durch trickreiche Einzelmaßnahmen weiterbestehen. Diesmal soll die Europäische Zentralbank wieder herhalten, um Zeit zu gewinnen. Sie soll Anleihen aufkaufen und ihren Spielraum bei der Zinspolitik ausreizen. Kurz davor war erst der Spielraum des Eurorettungsschirms neu ausgereizt worden.
Weil die Euro-Regierungen in der Überzeugung verharren, dass ein Kraftakt, der auch schmerzhafte Reformen umfasst, politisch nicht durchsetzbar ist, lügen sie sich von Tag zu Tag durch die Krise. Der Kraftakt kann mittlerweile nur mehr durch ein ganzes Bündel an gemeinsamen Maßnahmen erfolgen. Es reicht, wie 17 Wirtschaftswissenschaftler nun offenlegten, von harten Sparmaßnahmen in vielen Euroländern über neue Steuern, einem Schuldentilgungsfonds bis hin zu einer einkalkuliert höheren Inflation. Er wird teuer werden, aber der Kraftakt könnte den Euro noch retten. Allerdings nur, wenn die Karten rasch auf den Tisch kommen und Pragmatismus über die politische Angst siegt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2012)