Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP): Die religiöse Beschneidung von Buben bleibt eine "Gewissensentscheidung" des Arztes. Jüdische Gemeinden wollen sich indes dem Druck auf Verbot entgegenstellen.
Wien/Apa. Die Beschneidung von Buben aus religiösen Motiven bleibt in Vorarlberg „Gewissensentscheidung des behandelnden Arztes“. Das erklärte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) am Montag nach Einlangen einer Stellungnahme des Justizministeriums, die er vergangene Woche angefordert hatte. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hielt in ihrem Schreiben unter Berufung auf Strafrechtsexperten fest, dass eine Beschneidung durch die Einwilligung der Eltern straffrei sei.
Diese Einwilligung in eine Körperverletzung sei in Österreich strafrechtlich zulässig, wenn die Maßnahme im Kindeswohl gelegen sei – und in der österreichischen Literatur gebe es derzeit keine Hinweise, dass das Kindeswohl durch eine religiös motivierte Einwilligung in eine Beschneidung gefährdet sei, so die Argumentation des Justizministeriums. Die rechtliche Situation unterscheide sich damit von jener in Deutschland, wo das Landgericht Köln vor Kurzem entschieden hat, dass die religiös motivierte Beschneidung eine Körperverletzung darstelle.
Er begrüße die rasche Übermittlung des Rechtsstandpunkts, so Landeshauptmann Wallner in einer Stellungnahme. Dies schaffe mehr Klarheit in einer komplexen Rechtslage. Die Entscheidung, den Eingriff durchzuführen oder nicht, sei auch künftig eine Gewissensentscheidung des behandelnden Arztes und keine Pflichtleistung der Spitäler, sagt Wallner.
Jüdische Gemeinden kooperieren
Unterdessen haben die jüdischen Gemeinden Österreichs, Deutschlands und der Schweiz beschlossen, sich zusammenzuschließen, um sich dem Druck auf ein Verbot religiös motivierter Beschneidungen entgegenzustellen. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) sei derzeit mit der Organisation einer staatenübergreifenden Koordinationsgruppe betraut, erklärte IKG-Präsident Oskar Deutsch am Montag. Deutsch geht davon aus, dass der gesetzliche Status quo in Österreich belassen und auch in Deutschland ein Gesetz zum Schutz der religiösen Beschneidung bei Männern verabschiedet wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2012)