Testamentsfälscher: „Es hat ein System Dornbirn gegeben“

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Symbolbild(c) Clemens Fabry
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Bis zu sieben Jahre müssen die Angeklagten im Vorarlberger Testamentsfälscher-Prozess ins Gefängnis. 18 Verlassenschaften und Schenkungen wurden aufgearbeitet. 80 Erben wurden um zehn Millionen Euro geprellt.

Salzburg. „Das Gericht hat sich rasch von der Alleintätertheorie verabschiedet. Es war keine One-Man-Show, sondern ein System Dornbirn.“ So begründete der Salzburger Richter Andreas Posch am Dienstag seine Schuldsprüche für alle Angeklagten in der Vorarlberger Testamentsfälscher-Affäre.

Mit gesenktem Kopf hörten die sechs noch verbliebenen Beschuldigten – fünf Mitarbeiter der Justiz, darunter die suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz – den Urteilsspruch. Für vier Personen, sie waren als Scheinerben aufgetreten, hat es schon in den vergangenen Wochen Schuldsprüche gegeben.

Für das Gericht war der geständige ehemalige Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn, Jürgen H., zwar das „Mastermind“ der Fälschungen. Doch auch die anderen Mitarbeiter in der Außerstreitabteilung hätten mitgewirkt. „Es hat eine enorme Zahl an Auffälligkeiten gegeben. Viele einzelne Fakten sind von den Angeklagten entkräftet worden“, sagte Posch. Wenn solche Auffälligkeiten zwei- oder dreimal vorkommen, könne man diese Verantwortungen glauben. „Aber man muss das wie ein Mosaik sehen. Wenn 40, 50 Auffälligkeiten auftreten, kann das kein Zufall mehr sein“, begründete der Richter.

Jürgen H. muss wegen Amtsmissbrauchs, gewerbsmäßigen Betrugs und Fälschung von Urkunden unter Ausnutzung einer Amtsstellung sieben Jahre in Haft. Peter H., ein Freund des Hauptbeschuldigten, der das erschlichene Vermögen verwaltete, erhielt fünf Jahre unbedingte Gefängnisstrafe. Die drei Kollegen von Jürgen H. in der Außerstreitabteilung in Dornbirn wurden wegen Amtsmissbrauchs und Urkundenfälschung zu zwei bzw. drei Jahren teilbedingt verurteilt. Kornelia Ratz erhielt wegen Missbrauchs der Amtsgewalt als Beitragstäterin eine teilbedingte Strafe von 2,5 Jahren.

„Horribles Unrechtsbewusstsein“

Der Richterin wurde vorgeworfen, dass sie bei den Kollegen in Dornbirn ein Testament zugunsten ihrer eigenen Familie in Auftrag gegeben habe. Sie bestritt alle Vorwürfe vehement. Auch die Kollegen von Jürgen H. am Bezirksgericht waren nicht geständig. Aus der Urteilsbegründung ging hervor, dass das Gericht überzeugt ist, dass neben Jürgen H. ein vor einigen Jahren verstorbener Vorarlberger Rechtsanwalt zu den Drahtziehern der Erbschaftsmanipulationen gehörte. Posch kritisierte wiederholt die Arbeitseinstellung der Justiz in Dornbirn. Er sprach von „horriblem, mangelndem Unrechtsbewusstsein“. Was sich die Dornbirner Testamentsfälscher ausgedacht haben, könnte aus der Feder eines fantasiebegabten Krimiautors stammen.

Es gab wehrlose, meist demente Senioren, viel Bar- und Immobilienvermögen, auf alt getrimmte Papiere, abgepauste Unterschriften und aus dem Nichts aufgetauchte Testamente mit Erben, die sich im Zuge der Ermittlungen als Verwandte oder Freunde von Jürgen H. herausgestellt hatten. In Registern wurden falsche Testamente in frei gelassenen Zeilen nachträglich eingetragen, um sie in das Verfahren zu schmuggeln.

Um zehn Millionen Euro geprellt

Im Prozess wurden 18 Verlassenschaften und Schenkungen zwischen 2001 und 2008 aufgearbeitet. 80 Erben wurden um ein Gesamtvermögen von zehn Millionen Euro geprellt. „Die Spitze des Eisbergs“, wie Posch sagte. Der Richter prangerte die personelle und materielle Ausstattung der Justiz an. In dem Verfahren hätten anfangs nur zwei Polizisten und ein Staatsanwalt ermittelt. „Ich wage gar nicht zu denken, wie viele Fälle unaufgeklärt bleiben, weil es der Justiz an Personal fehlt“, so der Richter. Ausdrücklich lobte er Menschen mit Zivilcourage: Ohne die Richterin, der die Malversationen 2008 aufgefallen waren und die Anzeige erstattete, wäre der Justizskandal nicht ins Rollen gekommen. Eine Affäre, die am Dienstag mit zehn Schuldsprüchen endete – die aber noch nicht rechtskräftig sind.

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