EZB-Chef Draghi vertröstet Märkte auf später

Draghi enttaeuscht schwammigen Aussagen
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Bei der mit Spannung erwarteten EZB-Sitzung wurde heute heftig über den Kauf von Staatsanleihen debattiert. Draghi sieht zunächst die Politik am Zug.

Im Kampf gegen die Euro-Krise hält sich die EZB zunächst mit Ankäufen von Anleihen klammer Euro-Schuldenstaaten weiter zurück. Die Zentralbank wolle zwar im Zusammenspiel mit den Euro-Rettungsfonds Krisenstaaten stützen und sei "in Wahrung ihrer Unabhängigkeit" zu Interventionen am Markt bereit, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Zunächst sei allerdings die Politik am Zuge und müsse die Rettungsschirme am Bondmarkt aktivieren. Die EZB werde nicht automatisch handeln, sondern autonom darüber entscheiden. Der Rettungsfonds EFSF müsse aktiviert werden, um dem Problem der hohen Renditen zu begegnen.

Die "außergewöhnlich hohen Risikoprämien" für Staatsanleihen mehrerer Euro-Länder behinderten die Durchsetzung der Geldpolitik der EZB. Deshalb würden weitere unkonventionelle Maßnahmen erwogen. "In den nächsten Wochen werden wir die angemessenen Modalitäten für solche Maßnahmen ausarbeiten", sagte Draghi. So könne die EZB geldpolitische Operationen direkt am Markt vornehmen. Wieviel Geld die EZB für die Käufe einsetzen wird, ließ Draghi offen. "Das Volumen werde "eine angemessene Größe" haben, um den Zielen gerecht zu werden. Bundesbankchef Jens Weidmann, der Bondkäufe wegen ihrer Nähe zur verbotenen Staatsfinanzierung kritisch sieht, brachte im EZB-Rat Vorbehalte gegen die Käufe vor.

Doppelstrategie geplant

Draghi arbeitet offenbar an einer Doppelstrategie: Rettungsfonds und Zentralbank sollen den Anleihenkauf koordinieren. Der ESM soll den Regierungen in kleinerem Umfang direkt Anleihen abkaufen, während die Notenbank zugleich Papiere erwirbt, die bereits auf dem Markt gehandelt werden. Der Rettungsfonds hat - anders als die EZB - die Möglichkeit, Papiere bedrängter Euroländer zu erwerben und darf anders als die Notenbank auch am Primärmarkt kaufen, also direkt bei Auktionen neuer Anleihen mitbieten. Dafür müsste jedoch ein formeller Antrag der Staaten gestellt werden, was bisher nicht der Fall ist. Eine endgültige Entscheidung soll laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" erst nach dem 12. September fallen. An diesem Tag will das deutsche Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die Errichtung des ESM verkünden.

Draghi sagte außerdem, die Unsicherheit im Euroraum bleibe hoch und das Wachstum schwach. Die Indikatoren würden auf schwache wirtschaftliche Aktivität im zweiten Quartal hinweisen. Die Inflationserwartungen dürften weiter zurückgehen. Zuvor hatte die EZB den Leitzins wie erwartet auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent belassen. Obwohl die Schuldenkrise zuletzt eskaliert war, hatten die wenigsten Volkswirte nach der historischen Zinssenkung von Anfang Juli rasch mit einem erneuten Zinsschritt gerechnet.

Erwartungen enttäuscht

Die europäischen Börsen reagierten auf die Pressekonferenz von Draghi enttäuscht. Waren sie zuvor leicht im Plus, drehten sie danach deutlich ins Minus. Der Dax stürzte etwa auf -1,3 Prozent ab, der ATX verlor 1,2 Prozent. Der Euro-Stoxx-50 notierte gegen 15.00 Uhr um 1,7 Prozent schwächer als am Vorabend. Ein Börsianer in Frankfurt erklärte: "Nach der starken Erholungsrally seit Mitte vergangener Woche wollte der Markt etwas anderes hören, als dass in den kommenden Wochen die Modalitäten festgelegt werden sollen".

Der Euro fiel auf ein Tagestief unter die Marke von 1,22 US-Dollar. Die Anleiherenditen für Papiere aus Spanien sprangen sogar wieder über die Marke von 7,0 Prozent. Diese gilt mit Blick auf die langfristige Finanzierung eines Staates als nicht verkraftbar. Der Zinssatz für zehnjährige Staatsanleihen aus Italien stieg um 0,29 Prozentpunkte auf 6,19 Prozent.

Monti lobt Draghi-Äußerungen

Die Erwartungen an die EZB waren schon lange nicht mehr so hoch: Draghi hatte vor einer Woche erklärt, die EZB werde "im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten". Seither sind die Hoffnungen gewaltig, dass die EZB massiv Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten wie Spanien und Italien kauft.

Lob erhielt Draghi von Italiens Ministerpräsident Mario Monti, der die Äußerungen der EZB zur Schuldenkrise nach eigenen Worten grundsätzlich positiv sieht. Mehrere Maßnahmen scheinen nach vorne zu führen und keine zurück, sagte Monti. Die Finanzmärkte hätten EZB-Chef Mario Draghi offenbar nicht ganz verstanden, ergänzte der Regierungschef mit Blick auf negative Reaktionen an den Börsen.

Bericht: Nowotny gegen Anleihenkäufe

Draghi, kämpft laut einem Bericht der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" mit notenbankinternen Widerständen. So gebe es neben dem deutschen Bundesbankpräsident Jens Weidmann sechs weitere Mitglieder im EZB-Rat, die gegen großangelegte Staatsanleihekäufe seien, schreibt die italienische Tageszeitung am Donnerstag ohne Quellen zu nennen.

Demnach ist auch Österreichs Ratsmitglied Ewald Nowotny dagegen. Auch die Niederlande, Luxemburg, Finnland, Estland sprechen sich laut dem Zeitungsbericht gegen Draghis Vorschlag aus. Die Österreichische Nationalbank wollte den Bericht gegenüber der APA nicht kommentieren. Draghi versucht laut dem Bericht, unter diesen schwierigen Voraussetzungen einen Konsens herzustellen. Eine offene Konfrontation sei jedoch unvermeidbar.

Bereits um 211 Mrd. Euro Anleihen gekauft

Die EZB hatte bereits 211 Milliarden Euro in Anleihen schwächelnder Euro-Länder investiert, um Druck von den hohen Zinslasten zu nehmen. Das Kaufprogramm ist umstritten, seit diesem Frühjahr ruht es. Vor allem die Deutsche Bundesbank hält wenig davon, weil es die auf diese Weise von der EZB entlastete Regierung nicht dazu verpflichtet, im Gegenzug für die Hilfen wirtschaftliche Reformen einzuleiten und den Haushalt zu sanieren.

Unmittelbar vor den europäischen Währungshütern beschloss deren US-Kollegen in Washington keinerlei neue Schritte. Der Fed-Offenmarktausschuss bestätigte am Mittwoch in Washington den derzeitigen Leitzinssatz mit einer Spanne zwischen null und 0,25 Prozent. Bereits im vergangenen Jahr hatte sie angekündigt, dass der Zins bis Ende 2014 auf niedrigem Niveau gehalten werden solle. Sie sehe weiter "bedeutende Abwärtsrisiken" für die US-Wirtschaft (mehr dazu ...).

(APA/dpa/Reuters)

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