Machtkampf um Hilfsgeld lähmt die EZB

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Symbolbild(c) AP (Michael Probst)
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Die Europäische Zentralbank kann sich offenbar nicht auf eine gemeinsame Antikrisenstrategie einigen. Ein Grundsatzstreit zwischen Deutschland und dem Süden verhindert Entscheidungen über Staatsanleihenkäufe.

Wien/Frankfurt/Ju/Jil. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde „im Rahmen ihres Mandats“ alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Euro zu schützen, hatte EZB-Chef Mario Draghi vor Kurzem unter großem Beifall der Finanzmärkte gesagt. Vorerst macht die EZB aber erst einmal gar nichts: Bei der Sitzung des Generalbankrats am Donnerstag in Frankfurt wurde weder der Leitzinssatz (derzeit 0,75 Prozent) verändert, noch wurden die im Vorfeld angedeuteten „Maßnahmen“ – etwa Staatsanleihenkäufe – konkretisiert. Die Folge: Starke kurzfristige Kursverluste auf den Aktienmärkten, der Euro knickte ebenfalls ein (siehe unten stehenden Artikel).

Die enttäuschende Vorstellung deutet auf eine Pattsituation im EZB-Direktorium hin. Dort tobt seit einiger Zeit ein heftiger Richtungsstreit zwischen Deutschland, das weitere großflächige Staatsanleihenkäufe durch die Notenbank strikt ablehnt, und mehreren Südländern (darunter Spanien, Italien und Frankreich), die dafür eintreten, die stark gestiegenen Staatsanleihenzinsen in Krisenländern wie Italien oder Spanien durch direkte Interventionen zu senken.

Herausgekommen ist bei diesem offensichtlichen Machtkampf ein Kompromiss, den Draghi gestern (zum Missfallen der Finanzmärkte) verkündet hat: Die EZB könnte zwar weiter Anleihenkäufe vornehmen, sagte der EZB-Chef. Unter welchen Umständen und in welchem Ausmaß, müsse aber noch geklärt werden. Es werde sich um „unkonventionelle Maßnahmen“ handeln, so Draghi kryptisch. Die Entscheidung im EZB-Direktorium ist trotz Kompromisses nicht einstimmig gefallen: Eines von 23 Mitgliedern stimmte gegen jede Form weiterer Anleihenkäufe. Draghi wollte zwar nicht bestätigen, dass es sich dabei um Bundesbank-Chef Jens Weidmann handelte, sagte aber: „Es ist klar und bekannt, dass Herr Weidmann und die Bundesbank ihre Vorbehalte gegen ein Programm zum Kauf von Staatsanleihen haben.“

Der EZB-Chef deutete weiters an, dass diese möglichen neuen Anleihenkäufe nicht mehr so großflächig wie bisher durchgeführt würden: Wahrscheinlich würden nur noch die Anleihen solcher Staaten aufgekauft, die offiziell unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft sind und damit dessen Auflagen akzeptieren. Die beiden Krisenländer Italien und Spanien kämen damit derzeit nicht infrage. Die EZB hält aus früheren „unkonventionellen“ Interventionen bereits europäische Staatsanleihen im Wert von 211,5 Milliarden Euro.

Absage an ESM-Banklizenz

Auf den Finanzmärkten war dagegen seit Tagen spekuliert worden, die EZB würde schon bald versuchen, die Zinsen für spanische und italienische Anleihen durch Ankäufe massiv abzusenken. Spekulationen, die Draghi nicht verstehen will. Von weiteren Anleihenkäufen sei nie explizit die Rede gewesen, so der EZB-Chef.

Verwunderung äußerte der EZB-Chef auch über die Forderungen mancher Politiker nach einer Banklizenz für den „permanenten Rettungsschirm“ ESM, womit die „Feuerkraft“ der Euro-Rettungseinrichtung nicht mehr begrenzt wäre. Mit einer solchen Lizenz könnte der ESM sich direkt bei der Notenbank Geld leihen. Bundesbank-Chef Jens Weidmann, der Hardliner im EZB-Direktorium, hatte die Idee mehrfach abgelehnt, weil dies einer direkten Staatsfinanzierung mit Notenbank-Geld gleichkäme – was laut EU-Verträgen verboten ist. Draghi sagte am Donnerstag, dass der ESM „in seiner aktuellen Form“ ohnehin keine „passende Gegenpartei“ für EZB-Kredite und eine Banklizenz für den ESM rechtlich gar nicht möglich sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2012)

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