Ein Semmeringer Selfmade-Schlossherr

Wie der Wiener Victor Silberer zum Pionier der Sommerfrische wurde.

Ein Pionier des Semmering-Tourismus war Victor Silberer. Der Besitzer der „Allgemeinen Sport-Zeitung“ in Wien war um 1900 ein schwerreicher Mann, ein Spekulant, obendrein Gründer des österreichischen Aero-Clubs. Und Wiener Gemeinderat unter der Patronanz Karl Luegers.


Ein „Zugroaster“ übernimmt. Mit seinen Millionen zog sich der Rastlose aber immer öfter auf den Semmering zurück, dessen beginnende Fremdenverkehrsaktivitäten er sofort selbst in die Hand nahm und ankurbelte. Bald war er Präsident des „Semmeringer Vereins“, der sich die Gemeinderäte quasi als Domestiken hielt. Silberer verhandelte mit der Südbahngesellschaft auf Augenhöhe: Er schrieb der privaten Gesellschaft die Zugsfolgen samt Abfahrtszeiten vor, ebenso die Tarife.

Als sichtbares Zeichen des erworbenen Reichtums ließ er sich das pittoreske „Silberer-Schlössl“ errichten – Neuschwanstein stand dabei Pate. Noch heute dominiert es mit seinen Giebeln und Türmchen die Villenlandschaft zwischen Semmeringbahn und Südbahnhotel.

Auf der Passhöhe war er Bauherr des – heute nicht mehr existierenden – Hotels „Zum Erzherzog Johann“. Damit konnte er zwar die großen Grand Hotels des Ortes nicht überbieten, aber das Ambiente nach dem Geschmack der Zeit wurde allseits von der Gesellschaft gelobt.

Obwohl Christlichsozialer, widmete ihm ausgerechnet die „Arbeiter-Zeitung“ am 12. April 1924 einen warmen Nachruf anlässlich seines Todes. Er sei vom Lueger-Anhänger zum guten Republikanermutiert, lobte das sozialdemokratische Zentralorgan. Dass er den „Annahof“, ein großes Zinshaus in der Annagasse 3, testamentarisch den „Barmherzigen Brüdern“ vermachte, galt es ebenso zu rühmen wie seine Stiftungen auf dem Semmering.


Ein Schlössl als letztes Zeugnis. Sohn Herbert, den er eigentlich zum Nachfolger und Erben des „Sportblatt“ ausersehen hatte, beging 1923 in diesem „Annahof“ unter schweren Depressionen Selbstmord, so verkaufte Silberer sein Lebenswerk und zog sich, an beiden Beinen bereits gelähmt, in den vierten Stock seines Wohnpalais zurück. Er starb an einer Lungen- und Rippenfellentzündung.

Sein bis heute noch weithin sichtbares „Silberer-Schlössl“ unweit des Hotels „Panhans“ zeugt heute noch von diesem Selfmademan der Lueger-Epoche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2012)

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