Der langsame Start des Wiener Hauptbahnhofs

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Für den Wiener Hauptbahnhof wird es langsam ernst. Ab heute fahren bereits die ersten Züge durch, mit Fahrplanwechsel 2014/2015 wird er den Westbahnhof als wichtigsten Fernverkehrsbahnhof ablösen.

Wien. „Nach Ägypten wäre es ja nicht so weit, aber bis zum Südbahnhof muss man erst kommen.“ Wenn es um den künftigen Wiener Hauptbahnhof geht, zitiert ÖBB-Chef Christian Kern gern den Schriftsteller Karl Kraus, der mit diesem legendären Satz vielen Wienern aus der Seele sprach. Denn die größte Baustelle Österreichs, die nach der Fertigstellung des Prestigebauprojektes im Dezember 2014 zu einem der wichtigsten Verkehrsknoten Europas werden soll, sei „die absolute Anti-These“ dazu. Kern: „Die Bahn rückt in das Herz der Stadt“. Durchfahren werden erste Garnituren bereits am heutigen Montag. Reisenden steht der Bahnhof dann erstmals ab Dezember 2012 zur Verfügung.

Wenn es so weit ist, werden Züge aus allen Himmelsrichtungen den Hauptbahnhof ansteuern. „Wien ist zwar bautechnisch einfacher als etwa Berlin, aber eisenbahntechnisch deutlich schwieriger“, erklärt Gesamtprojektleiter Karl-Johann Hartig. Denn am Berliner Hauptbahnhof würden Züge auf zwei Ebenen kreuzen, ober- und unterirdisch. In Wien wird es nur eine Ebene geben. Allerdings verlief die Ostbahn bisher auf einer anderen Höhe und musste auf die Ebene des Hauptbahnhofs gebracht werden: „Der Höhenunterschied zwischen Ost- und Südbahn wurde mit einer Million Kubikmeter Erdmaterial ausgeglichen.“

Nach dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 wird der provisorische, aus Containern bestehende Ostbahnhof abgerissen. Hier treffen derzeit die Regional- und Nahverkehrszüge aus dem Osten (beispielsweise aus Bratislava) in Wien ein. Reisende der Ostbahn (über Gramatneusiedl, Bruck an der Leitha) und der Marchegger Ostbahn (über Simmering, Stadlau) kommen als erste in den Genuss der neuen zentralen Wiener Bahnstation, die ab 9. Dezember mit vier Gleisen in Teilbetrieb geht.

Neues Stadtviertel

Rund um die Baustelle entsteht in den nächsten Jahren zudem ein neues Stadtviertel mit Büro- und Wohnkomplexen. Für den südlichen Teil des Areals – im Bereich der Sonnwendgasse, Gudrunstraße und dem Bahnkörper – fiel im Februar der Startschuss für den Bau.
Hier sollen 5000 Wohnungen gebaut werden.

Im Bahnhofs-Einkaufszentrum, das seine Pforten im September 2014 – also noch vor der Fertigstellung des Bahnhofs – eröffnen soll, werden rund 115 Geschäfte auf einer Verkaufsfläche von 20.000 Quadratmetern errichtet. Für die Beleuchtung des Bahnhofs sollen Sonnendächer mit 1200 Quadratmetern Photovoltaik-Kollektoren sorgen. Die Panele werden auf dem Dach über den Bahnsteigen montiert. Vier Milliarden Euro werden in den Bahnhof und das Stadtentwicklungsgebiet investiert.

Erste „BahnhofCity“

Der neue Hauptbahnhof wird den Westbahnhof als Wiens wichtigsten Fernverkehrsbahnhof ablösen. Mit Fahrplanwechsel 2014/2015 wird der Hauptbahnhof eröffnet, sodass auch der Fernverkehr über den Lainzer Tunnel mit Halt in Wien Meidling zum Hauptbahnhof Wien fahren wird. Inwieweit es auch danach nationale ÖBB-Fernverkehrszüge geben wird, die ab/bis Wien Westbahnhof fahren, steht noch nicht fest. Die S-Bahn-Station Südtiroler Platz wird dann „Wien Hauptbahnhof“ heißen, die Station Südbahnhof „Quartier Belvedere“.

Die Arbeiten zur Erweiterung des Westbahnhofs zur ersten „BahnhofCity“ Österreichs starteten 2008. Im Dezember 2010 wurde die generalsanierte Bahnhofshalle eröffnet. Rechts und links neben der Halle wurden Neubauten errichtet. In den beiden Trakten sind Büros untergebracht. Zudem gibt es seither auf 17.000 Quadratmetern auch ein Einkaufszentrum.

Die ÖBB wollen auch den Flughafen Wien-Schwechat für Zugreisende besser erreichbar machen. Dafür bauen die Bundesbahnen in den kommenden zweieinhalb Jahren eine 2,1 Kilometer lange Neubaustrecke. Sie verbindet künftig die Ostbahn mit der Flughafenschnellbahn S7. Dadurch wird auch der Hauptbahnhof direkt an den Airport angebunden. Die neue Spange wird im nationalen Fernverkehr ab Dezember 2015 genutzt.

Ob auf der Strecke überhaupt Regionalzüge fahren werden, ist aber alles andere als fix. Denn dafür müsste die Stadt Wien die entsprechenden Mittel bereitstellen. Aus dem Büro von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou hieß es dazu lediglich, dass es sich um „ein mögliches Zukunftsprojekt“ handle. Der Trassenverlauf der S7 führt derzeit weder über den neuen Hauptbahnhof, noch ist er unmittelbar mit der Ostbahn verknüpft. Dies soll sich durch das Vorhaben ändern. Die ÖBB planen, den Inlandsfernverkehr stündlich von Salzburg über den Hauptbahnhof und weiter ohne Zwischenhalt zum Flughafen zu führen. Die Fahrt zwischen Hauptbahnhof und Airport wird rund 15 Minuten betragen.

Der Südbahnhof wurde im Dezember 2009 gesperrt, die Schnellbahnstation ist davon nicht betroffen, es gibt einen provisorischen Zugang vom Schweizergarten aus. Alle Züge, die am Südbahnhof angekommen bzw. abgefahren sind, enden derzeit in Meidling. Fernverkehrszüge (etwa aus Tschechien oder Polen) enden bzw. beginnen ebenfalls dort oder fahren bis Wiener Neustadt durch.

In der Serie „Wien mobil“ bisher erschienen: „So ist Wien unterwegs“ (17. 7.), „Parkplatzproblematik“ (20. 7.), „Rad fahren“ (23. 7.), „Auto fahren“ (30. 7.)

Auf einen Blick

Megaprojekt. Der Hauptbahnhof soll im Dezember 2014 fertiggestellt und eines der wichtigsten Verkehrsknoten Europas werden. Im Bahnhofseinkaufszentrum, das seine Pforten im September 2014 eröffnen soll, werden 115 Geschäfte errichtet. Rund um den Bahnhof entsteht in den kommenden Jahren ein neues Stadtviertel mit Büro- und Wohnkomplexen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2012)

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