Neue Bildungsteilzeit: „Bei 76 Mio. hat eine Lenkung Sinn“

AMS-Chef Johannes Kopf
AMS-Chef Johannes Kopf(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Johannes Kopf, neben Herbert Buchinger eben wiederbestellter Bundeschef des Arbeitsmarktservice, begrüßt im Gespräch mit der "Presse" den Plan der ÖVP zur Bildungskarenz und zur Debatte über Förderungen.

Wien/ett. Als Chef des Arbeitsmarktservice (AMS) wolle er gerade die Gruppe der schlechter Qualifizierten erreichen. Denn das sei seine „Problemgruppe“ bei der Vermittlung neuer Jobs. Johannes Kopf, neben Herbert Buchinger eben wiederbestellter AMS-Bundeschef, ist deswegen vom jüngsten Plan der ÖVP, eine „Teilbildungskarenz“ einzuführen, angetan. „Ich begrüße den Vorschlag. Er wird die Diskussion anregen: Was wollen wir überhaupt fördern?“, betont Kopf im Gespräch mit der „Presse“.

Der AMS-Vorstand verweist darauf, dass im vergangenen Jahr dafür insgesamt 76 Millionen („das ist ja nicht nichts“) Euro ausgegeben worden sind. Arbeitnehmer können, wenn sie sich davor mit ihrem Arbeitgeber geeinigt haben, bis zu einem Jahr Bildungskarenz und ein Weiterbildungsgeld erhalten. Angesichts der Millionenkosten für die Bildungskarenz wünscht sich Kopf, die Mittel verstärkt für Schwerpunkte bei der Bildungskarenz einzusetzen: „Es geht jetzt um eine Lenkung.“ Und: „Bei 76 Millionen Euro hat es Sinn, darüber nachzudenken.“

ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und die Obfrau des Arbeitnehmerbundes (ÖAAB), Johanna Mikl-Leitner, haben in der Vorwoche folgende neue Variante als „Teilbildungskarenz“ vorgeschlagen: Ein Beschäftigter reduziert die Arbeitszeit um die Hälfte und erhält das halbe individuelle Arbeitslosengeld. Das soll Weiterbildung besonders für Beschäftigte mit geringerer Qualifikation interessanter machen.

Sozialpartner sollen Richtlinien erlassen

„Ich habe lieber den Begriff Bildungsteilzeit“, schickt der AMS-Chef voraus. Er unterstützt aber nicht nur die Idee, damit bei jenen mit geringerer Qualifikation anzusetzen. Er befürwortet auch den ÖVP-Plan, künftig zu prüfen, wie sinnvoll die angestrebte Weiterbildungsmaßnahme ist. Kopf schwebt eine Art Richtlinienkompetenz für die Sozialpartner, die im AMS das Sagen haben, vor. Diese sollten festlegen, welche Zielgruppen künftig ins Auge gefasst werden.

Als ein Paradebeispiel führt er an, wenn ein Hilfsarbeiter einen Lehrabschluss und eine Facharbeiterausbildung machen wolle. „Da hat das Sinn.“ Er führt außerdem ins Treffen, dass die Bildungsteilzeit mit einer auf die Hälfte reduzierten Arbeitszeit finanziell lukrativ und von Interesse sein könne. Denn bei einer Halbierung des monatlichen Bruttolohns rutsche gerade diese Gruppe womöglich unter die Grenze, ab welcher überhaupt Steuern zu zahlen seien.

Anstieg seit der Krise 2008

Der AMS-Chef verweist auf eine Evaluierung der Bildungskarenz durch das Institut für Höhere Studien (IHS). Demnach handle es sich bisher bei Betroffenen um eine hohe Zahl an Studienabsolventen, die die Zeit für weitere Prüfungen und Doktoratsarbeiten nützten. „Die Frage ist, ob das AMS das fördern muss“, so Kopf. Dann komme man in Konkurrenz zu den Stipendien. Dass etliche, die in Bildungskarenz gehen, diese Monate nur für Freizeit nutzen, ist für ihn mit Verweis auf die IHS-Überprüfung nicht in großem Stil der Fall: „Die Leute machen nicht blau, sondern ihre Ausbildungen.“ Kopf: „Natürlich kann es da und dort Missbrauch geben.“

Die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer in Bildungskarenz gehen, besteht seit 1998. Insgesamt haben rund 46.000 Personen bisher davon Gebrauch gemacht. In den ersten Jahren lag der Durchschnitt laut AMS bei rund 1000 Beschäftigten. Das änderte sich mit der Wirtschafts- und Finanzkrise. 2008 waren knapp 1600 Personen in Bildungskarenz. 2009 schnellte die Zahl dann auf 4895 nach oben. Das hing auch damit zusammen, dass die Anspruchsvoraussetzung – jemand muss nun mindestens sechs Monate im gleichen Betrieb sein – gesenkt wurde. Außerdem haben die Bundesländer einen Teil der Qualifizierungskosten übernommen.

Noch eine Änderung gab es laut der IHS-Erhebung: Bis 2008 ging der Wunsch nach einer Bildungskarenz weitgehend von den Beschäftigten aus. Im Gefolge der Krise zeigten dann 2009 auch die Arbeitergeber verstärktes Interesse an dieser Form der Weiterbildung von Mitarbeitern. Inzwischen ist die Zahl der Beschäftigten in Bildungskarenz noch weiter gestiegen: 2010 waren es laut AMS bereits 6350, im vergangenen Jahr schließlich 6679.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2012)

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