Eurokrise: Fortschritte in Athen, Streit in Europa

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Die Troika reist zufrieden aus ihrem schuldengeplagten Ziehkind Griechenland ab, das Sparpaket steht. Der Streit um die richtige Rettungspolitik zwischen Deutschland und dem Rest Europas wird aber heftiger.

Athen/Wien/jil. Sie kamen, sahen und waren überraschend zufrieden mit ihrem schuldengeplagten Ziehkind: Die sogenannte Troika (bestehend aus Vertretern des Internationalen Währungsfonds IWF, der Europäischen Zentralbank EZB und der EU-Kommission) war am Sonntag zu Gesprächen über das Sparpaket und weitere Hilfsgelder in Athen. „Wir haben gute Fortschritte erzielt“, sagte IWF-Vertreter Poul Thomsent nach Gesprächen der Troika mit dem griechischen Finanzminister Yannis Stournaras und Arbeitsminister Giannis Vroutsis.

Die Vertreter der Troika waren zwei Wochen in Griechenland, um den Sparkurs des Landes zu überprüfen. Sie werden schon im September zurückkehren. Dann soll die nächste 31-Milliarden-Euro-Tranche aus dem zweiten Hilfspaket ausbezahlt werden. Die Zeit bis dahin wird die griechische Regierung wohl mit der Ausgabe kurzfristiger Anleihen (Bills) überbrücken, die von der griechischen Notenbank mit frisch gedrucktem Geld gekauft werden. Die EZB hat den Griechen Notkredite in der Höhe von vier Mrd. Euro genehmigt. Laut griechischen Medien wird Premierminister Antonis Samaras noch im August sowohl nach Berlin als auch nach Paris reisen, um das weitere Vorgehen mit den Geberländern abzustimmen.

Monti warnt vor Zerfall Europas

Griechenland hat Einsparungen in der Höhe von 11,5 Mrd. Euro garantiert – die Umsetzung dieser Kürzungen ist Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Hilfspaket-Tranche. Das Sparpaket sieht vor, dass Griechenland drei Mrd. im öffentlichen Sektor und bei staatlichen Betrieben einspart, 2,6 Mrd. bei Pensionen, zwei Mrd. bei Kliniken und staatlichen Versicherungen, 1,5 Mrd. in der Verwaltung, zwei Mrd. bei den Gemeinden und der Verteidigung – sowie 500 Mio. in der Bildung.

Die Zufriedenheit der Troika mit Griechenland kann aber nicht über die tiefer werdenden Gräben zwischen den entscheidenden Playern in Europa hinwegtäuschen. So hat der italienische Premier Mario Monti in einem Interview mit dem „Spiegel“ eindringlich vor einem „Zerfall Europas“ gewarnt. „Die Spannungen, die in den letzten Jahren die Eurozone begleiten, tragen bereits die Züge einer psychologischen Auflösung Europas“, sagte Monti. Die nationalen Regierungen würden sich zu sehr durch die Entscheidungen der Parlamente in ihrem Handlungsspielraum einengen lassen, so Monti, der sein Amt als Premierminister nicht durch eine demokratische Wahl erlangt hat, sondern als „Technokrat“ eingesetzt wurde.

Deutschland legt sich quer

Der Fraktionsvorsitzende von CDU und CSU im Bundestag, Volker Kauder, forderte indes eine Diskussion über die mögliche Errichtung eines Parlaments für die Eurozone, das neben den nationalen Parlamenten und dem EU-Parlament existieren könnte. Generell wächst aber der Unmut in Deutschland mit der Euro-Krisenpolitik. So forderte der bayerische Finanzminister Markus Söder den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone bis Ende 2012. „Die Deutschen können nicht länger der Zahlmeister für Griechenland sein“, sagte der CSU-Politiker.

Während sich der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann inzwischen wiederholt für eine Banklizenz für den „permanenten Rettungsschirm“ ESM ausgesprochen hat, blockiert Deutschland auch hier weiterhin. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erteilte der ESM-Banklizenz in einem Interview eine klare Absage. Auch die EZB hat mehrmals darauf hingewiesen, dass so eine Lizenz rechtlich gar nicht möglich sei.

Der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing hat indes die Pläne von EZB-Präsident Mario Draghi kritisiert, erneut Staatsanleihen von Krisenstaaten aufzukaufen. „Die Geldwertstabilität ist mittelfristig massiv gefährdet“, sagte Issing der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2012)

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