Schönes neues Montiropa

In Montis elitärem Verständnis der EU stehen Parlamente beim Euro-Retten nur im Weg.

Wer ein Feuer löschen will, kann vorher keine basisdemokratische Abstimmung darüber abhalten, wie viel Kubikmeter Wasser durch den Schlauch gepumpt werden soll. Dieser Logik folgend wandte sich Italiens oberster Brandmeister, Premier Mario Monti, dagegen, den Parlamenten allzu viel Mitspracherechte bei der Rettung des Euro einzuräumen. Wenn sich Regierungen durch Vorgaben ihrer Parlamente binden ließen und keinen Verhandlungsspielraum hätten, wäre „das Auseinanderbrechen Europas“ wahrscheinlicher als eine engere Integration, sagte er zum Nachrichtenmagazin „Spiegel“.

Man muss dem Professor für seine ehrlichen Worte dankbar sein. Denn besser ließe sich das mangelnde Demokratiebewusstsein der EU-Eliten kaum auf den Punkt bringen. Monti und andere aufgeklärte Herrscher meinen es sicher gut. Doch ihr Politikverständnis ist irgendwo zwischen Techno- und Autokratie angesiedelt. Wie sonst könnte Italiens Premier ernsthaft dozieren, dass jede Regierung die Pflicht habe, das Parlament zu erziehen? In „Montiropa“ geht die Macht nicht einmal mehr rhetorisch vom Volk aus. Da stehen Bürger und Parlamente beim Euro-Retten nur noch im Weg.

Es stimmt schon, dass demokratische Prozesse langwierig sein können. Doch sie haben den unschätzbaren Vorteil, demokratisch zu sein. Wenn unter dem Diktat der Krise demokratische und rechtsstaatliche Institutionen an den Rand gedrängt werden, könnte das dem Projekt Europa langfristig mehr schaden als die eine oder andere Verzögerung bei Euro-Entscheidungen. Ganz abgesehen davon, dass der europäische Feuerwehrtrupp auch drei Jahre nach den ersten griechischen Rauchzeichen nicht den Eindruck erweckt, so ganz genau zu wissen, wie der Flächenbrand in Euroland eingedämmt werden kann.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2012)

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