SPÖ-Europa-Parlamentarier Hannes Swoboda wirft dem deutschen Bundesverfassungsgericht vor, die Lösung der europäischen Schuldenkrise zu behindern.
Wien/La. Nicht nur in Deutschland zeigt man wenig Verständnis für den Wunsch des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti, die europäischen Regierungen mögen ihre nationalen Parlamente an die Kandare nehmen. Auch Hannes Swoboda, SPÖ-Europa-Parlamentarier und Fraktionsvorsitzender der europäischen Sozialdemokraten, kann mit der Forderung wenig anfangen – wobei er gegenüber der „Presse“ Verständnis für Montis „Unmut und Unsicherheit“ äußert. Als langjähriger EU-Beamter und Technokrat habe der italienische Übergangspremier möglicherweise „nicht die höchste Meinung“ über den Parlamentarismus. Das von Monti aufs Tapet gebrachte Thema sei aber zeitgemäß, denn die EU stünde nun vor der Aufgabe, „die Demokratie in einer schwierigen ökonomischen Lage neu zu organisieren“.
"Rückwärtsgewandte Praxis"
Als ein Hindernis auf diesem Weg zur Modernisierung sieht Swoboda allerdings nicht die nationalen Parlamente, sondern eher das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das im Zuge der Krisenbekämpfung eine „rückwärtsgewandte Praxis“ an den Tag gelegt habe. Mehr noch: „Das Gericht wird von Leuten wie Peter Gauweiler genutzt, die Angela Merkel eins auswischen wollen.“ Der EU-skeptische CSU-Abgeordnete Gauweiler hatte eine Verfassungsklage gegen den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM eingebracht, das Urteil wird für den 12. September erwartet. Und im Februar hatte das Gericht die Mitbestimmungsrechte der deutschen Parlamentarier bei Maßnahmen gegen die Schuldenkrise gestärkt.
Das Argument, die deutschen Verfassungsrichter hätten sich an das Grundgesetz zu halten und seien folglich dazu verpflichtet, sich mit den Bauplänen der europäischen Krisenmechanismen zu beschäftigen, will der SPÖ-Europa-Parlamentarier jedenfalls nicht gelten lassen: „Das deutsche Grundgesetz hat die Einigung Europas explizit formuliert.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2012)