Schuldenkrise: IWF will Schuldenerlass für Athen

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Der Internationale Währungsfonds (IWF) gesteht erstmals indirekt ein, dass Griechenland seine Schulden nicht wird zurückzahlen können und fordert jetzt einen Erlass. Die Geberländer sind wenig begeistert.

Wien/Brüssel/Red. Der Internationale Währungsfonds macht hinter den Kulissen zunehmend Druck auf die internationalen Geldgeber Griechenlands. Das Ziel: Dem Land sollen weitere Schulden erlassen werden, damit es wieder auf die Beine kommen kann. Laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ droht der IWF sogar mit der Einstellung der eigenen Hilfszahlungen, sollte es nicht zu einem Schuldenerlass kommen. Bei einem ersten Schuldenschnitt wurden dem Land bereits 100 Mrd. Euro erlassen – eine Maßnahme, die nicht von nachhaltigem Erfolg gekrönt wurde.

Nun will der IWF den „großen Wurf“ sehen. So soll das Verhältnis Schulden–BIP in Griechenland bis 2020 auf 100 Prozent gedrückt werden. Der Schuldenstand würde dann der Wirtschaftsleistung eines Jahres entsprechen. Eigentlich ist schon ein Schuldenstand von 60 Prozent des BIPs als zu hoch zu betrachten – deswegen wurde diese Grenze auch im Maastricht-Vertrag festgelegt. Ein Vertrag, an den sich heute kaum noch ein Euroland hält. Das ursprünglich mit dem schuldengeplagten Griechenland vereinbarte Ziel war eine Schuldenquote von 120 Prozent des BIPs. Ein Ziel, das eigentlich ohne weiteren Schuldenschnitt hätte erreicht werden sollen.

„Gutes Geschäft“?

Der Vorstoß des IWF wird in den Geberländern wohl nicht mit Wohlwollen aufgenommen werden. Deutschland allein hat Griechenland schon mit 127 Mrd. Euro unterstützt. Österreich ist mit rund einem Zehntel der Summe dabei. Politiker in beiden Ländern haben die Hilfszahlungen als „Lösung“ verkauft. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) behauptete sogar, dass die Griechenland-Hilfe ein „gutes Geschäft sei“, weil man das Geld ja mit Zinsen zurückbekäme. Kommt es aber zu einem Schuldenerlass, müsste man zumindest einen Teil der Hilfsgelder abschreiben. Schon der erste Schuldenschnitt kostete die verstaatlichte Kommunalkredit (und damit den österreichischen Steuerzahler) eine Milliarde Euro.

Der IWF hat mehrere Vorschläge zu einem möglichen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland gemacht, die laut „WSJ“ in Berlin allesamt auf Ablehnung stoßen. Die Minimalvariante wäre eine weitere Senkung der Zinsen auf Hilfskredite. Nach derzeitigem Stand muss Griechenland bis 2014 39 Mrd. Euro an Zinsen allein zahlen. Ein weiterer Vorschlag des IWF sieht einen direkten Schuldenschnitt vor: Die Geberländer müssten sich dann Verluste bei der Griechenland-Hilfe eingestehen. Angesicht der Wahlen in Deutschland und Österreich 2013 wohl keine attraktive Option für die Regierungen in Berlin und Wien. Variante drei sieht eine 30-prozentige Abwertung der Hellas-Anleihen in den Büchern der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der nationalen Zentralbanken vor. Das Problem: Die EZB hat sich durch einen juristischen Trick schon beim letzten Schuldenschnitt „enthalten“. Das Argument damals: Der Kauf von Staatsanleihen sei erst dann als verbotene Staatsfinanzierung zu beurteilen, wenn diese Anleihen definitiv ausfallen.

Noch eine ESM-Idee

Ob der IWF bei seinen eigenen Vorschlägen mitmacht, ist indes unklar. Der Fonds verleiht Geld im Status eines „bevorzugten Gläubigers“, was ihn von einer etwaigen Schuldenreduktion ausnehmen dürfte. Das IWF-Geld wächst freilich auch nicht auf Bäumen. Es stammt von den IWF-Mitgliedsländern und damit zumindest zum Teil auch aus Europa.

Ein weiterer Vorschlag des IWF betrifft den umstrittenen „permanenten Rettungsschirm“ ESM. Dieser solle, so der IWF, der griechischen Regierung jene 50 Mrd. Euro „abnehmen“, die für die Bankenrettung vorgesehen sind. Das könnte die griechische Schuldenlast um bis zu 20 Prozent des BIPs drücken. Die Regierungschefs der Eurozone hatten sich im Juni darauf geeinigt, den ESM auch zur Bankenrekapitalisierung einsetzen zu wollen. Die 100 Mrd. der Partnerländer für spanische Banken sollen zum Beispiel im Nachhinein vom ESM übernommen werden.

Der ESM ist allerdings noch nicht aktiv. Das deutsche Bundesverfassungsgericht will erst im September entscheiden, ob der ESM überhaupt mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. Unterdessen verschlimmert sich die Lage in Griechenland zusehends. So wird die Wirtschaft laut aktuellen Prognosen heuer um sieben Prozent einbrechen. Nicht nur um 4,7 Prozent – wie ursprünglich angenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2012)

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