Griechenland: Kommt der zweite Schuldenschnitt?

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Die Ratingagentur Standard & Poor's senkt den Ausblick für Griechenlands Rating von stabil auf negativ, weil die Sparanstrengungen stocken. Die Agentur Moody's warnt ebenso vor einem zweiten Schuldentausch.

Wien/Weber. Kurz nach der Abreise der „Troika“ hat Griechenland von der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) einen Schuss vor den Bug bekommen. Der Ausblick wurde von stabil auf negativ gesenkt, die Bewertung „CCC“ jedoch beibehalten. Damit werden Investments in griechische Staatsanleihen als äußerst spekulativ eingestuft. Zusätzlich sorgt sich S&P jetzt darüber, dass das Land die Erwartungen der Gläubiger nicht erfüllt und neue Hilfen in Anspruch nehmen muss.

Wegen der Neuwahlen im Mai und im Juni hätten sich die Sparanstrengungen deutlich verzögert, heißt es in einer Erklärung. Die Agentur sieht auch die Gefahr, dass die Geduld der Geldgeber bald ein Ende hat: Der negative Ausblick reflektiere die Möglichkeit, dass ein neuer Geldbedarf von der Troika – bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds – „nicht gedeckt wird“, heißt es. Alleine nächstes Jahr könnte das Land nach Einschätzung der Experten weitere sieben Mrd. Euro benötigen.

Die Perspektiven Griechenlands werden von S&P dabei deutlich negativer eingeschätzt als von EU und IWF. Die Amerikaner erwarten, dass die Wirtschaft im Zeitraum 2012 und 2013 um zehn bis elf Prozent schrumpfen wird, während letztere nur mit vier bis fünf Prozent rechnen.
Nachdem Griechenland Anfang des Jahres einen Schuldenschnitt durchgeführt hatte, bei dem private Gläubiger auf einen Teil ihrer Schulden verzichteten, war das Land im Mai von „teilweisem Zahlungsausfall“ („SD“) auf „CCC“ heraufgestuft worden. Dieses Urteil wackelt nun wieder.

Sparpaket wird ausgearbeitet

Am Sonntag hatten die internationalen Geldgeber nach ihrem Besuch in Athen noch die Fortschritte des Landes bei den Sparbemühungen gelobt. Im September wird der Bericht der Troika erwartet. Von ihm hängt die Auszahlung weiterer Hilfsgelder aus dem Rettungsschirm EFSF ab.
Die Koalitionspartner in Athen sind momentan dabei, ein Sparpaket im Ausmaß von 11,5 Mrd. Euro zu schnüren. Am Dienstag räumte Finanzminister Yannis Stournaras jedoch ein, dass gut ein Drittel der Einsparungen noch nicht feststehe.

Ebenso wie S&P ist auch die Ratingagentur Moody's der Überzeugung, dass das Thema Griechenland noch nicht abgehakt ist. In einer neuen Studie warnt die Agentur, dass angeschlagene Staaten nach einer ersten Umschuldung oft noch eine zweite Runde durchlaufen. Analysiert wurden 30 Umschuldungen seit 1997. Bei mehr als einem Drittel sei es nach einer ersten Umschuldung zu einem weiteren Zahlungsausfall gekommen, heißt es in dem Papier. Vor allem wenn der Umtausch von Staatsanleihen im Verhältnis zu den Gesamtschulden eher klein war, gab es noch andere Umschuldungen unter Beteiligung von privaten und öffentlichen Gläubigern.

Beim ersten „Haircut“, der im Frühjahr dieses Jahres durchgeführt wurde, wurde Griechenland von etwa 100 Mrd. Euro oder 30 Prozent seiner Gesamtschulden befreit.  Daran teilgenommen hatten nur private Gläubiger, also etwa Banken und Versicherungen. Die direkten Hilfen, die auch Österreich an Griechenland bezahlt hat, blieben davon unberührt. Auch die EZB, die haufenweise griechische Staatsanleihen besitzt, beteiligte sich nicht an dem Schuldenschnitt.

Erhebliche Risken für Steuerzahler

Insgesamt besitzen öffentliche Gläubiger mittlerweile 73 Prozent der griechischen Staatsschulden, das sind 194 Mrd. Euro. Kommt es zu einem zweiten Schnitt, könnte auch dieser Brocken von einer Restrukturierung betroffen sein. Bei einer zweiten Runde gebe es zwischen privaten und öffentlichen Gläubigern oft kaum noch Unterschiede, schreibt Moody's.

Welche Verluste dadurch für den österreichischen Steuerzahler entstehen, kann ohne Drehbuch für einen neuen Schuldenschnitt nicht gesagt werden. Risken gibt es aber genug: So schulden die Griechen dem heimischen Fiskus Geld aus dem ersten Hilfspaket. Daneben ist Österreich am Rettungsschirm EFSF und an der Europäischen Zentralbank beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2012)

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