Die Schweizer müssen zur Franken-Pflege Milliarden an Euro aufkaufen. Die Devisenreserven der Nationalbank in Zürich sind daher auf einen Rekordwert gestiegen. Analysten fragen sich, wie lange das gut geht.
Wien/Höll. Über 200.000 Österreicher haben einen Fremdwährungskredit, die meisten sind in Schweizer Franken verschuldet. Sie verfolgen gespannt die Politik der Schweizer Nationalbank (SNB), deren Devisenreserven im Juli auf einen Rekordstand von umgerechnet 406,5 Mrd. Franken (338,4 Mrd. Euro) gestiegen sind. Im Vergleich zum Juni entspricht das einem Plus von 41,4 Mrd. Franken. Allein in den vergangenen drei Monaten waren die Schweizer wegen der Eurokrise gezwungen, Devisen von umgerechnet fast 170 Mrd. Franken aufzukaufen. Immer mehr Analysten fragen sich besorgt, wann den Eidgenossen die Luft ausgehen wird.
Die Schweiz gehört mittlerweile zu jenen Ländern, die über die größten Devisenreserven weltweit verfügen. Zum Vergleich: Die Devisenreserven in der gesamten Eurozone lagen zuletzt bei 695 Mrd. Euro. Gemessen an der Wirtschaftskraft besitzt die Schweiz mittlerweile mehr Devisen als China. „Die Schweizer Nationalbank befindet sich in einer kritischen Phase“, sagte Ex-SNB-Vorstand Niklaus Blattner am Donnerstag der Zeitung „Cash“. Solange die Eurozone ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht zurückgewonnen habe, müsse man zufrieden sein, wenn die Schweizer Nationalbank die festgelegte Franken-Grenze überhaupt verteidigen könne.
Viele internationale Anleger flüchten in den Franken, weil die Schweiz als sicherer Hafen gilt. Doch dies schadet der Schweizer Wirtschaft. Denn durch die Aufwertung des Franken verteuern sich die Exporte. Vergangenen September führten die Währungshüter in Zürich daher eine Mindestgrenze von 1,20 Franken pro Euro ein. Seitdem gab es immer wieder Angriffe von Hedgefonds.
Drohen hohe Inflationsraten?
Um ihr Limit zu verteidigen, müssen die Schweizer riesige Bestände an Euro aufkaufen. Sie erwerben nicht nur Devisen, sondern auch im großen Stil Anleihen von Euroländern, wobei sie hier auf Nummer sicher gehen. Die Nationalbank in Zürich hält meist Wertpapiere bester Bonität. Beobachter gehen davon aus, dass es sich dabei in erster Linie um deutsche Staatsanleihen handelt.
Doch der Kurs der SNB sorgt für Kritik. Denn die Zukunft der Schweizer Währung hängt nun ausschließlich von der Entwicklung in der Eurozone ab.
Verschlimmert sich die Krise in der Eurozone, müsste die Nationalbank in Zürich noch öfter die Notenpresse anwerfen. Dies könnte mittelfristig zu hohen Inflationsraten führen. Im schlimmsten Fall wäre die SNB dann gezwungen, die Grenze von 1,20 Franken pro Euro aufzugeben. Beruhigt sich allerdings die Lage in der Eurozone, haben die Schweizer die Möglichkeit, ihre Eurobestände mit Gewinn zu veräußern.
Die Regierung in Bern jedenfalls verteidigt die Politik der Nationalbank. „Die SNB ist in der Lage weiterzumachen. Zurzeit bestehen keine inflationären Tendenzen“, versicherte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2012)